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Besser Youtube hören als Grammatik pauken

Auf Einladung des BHW fand am 5.9. im Comedor del Arte ein Workshop für ehrenamtliche Leiter/innen von Deutsch-Lerngruppen statt. Eingangs erzählte Mag. Andreas Pechter von der Koordinationsstelle für Ausländerfragen des Landes NÖ über die aktuelle Aufgabenverteilung in der Betreuung von Asylwerbern. Dann gab Martin Weinberger, ein erfahrener DaF/DaZ-Trainer des ÖIF, den anwesenden 12 Personen wertvolle methodische Tipps und Anregungen. Ich habe mir eifrig Notizen gemacht und möchte an dieser Stelle ein paar Erkenntnisse dieses Nachmittags niederschreiben.

1. Man muss zwischen Deutsch-Lerngruppen und Kursen unterscheiden. Wir im Comedor bieten bislang eigentlich Deutsch-Lerngruppen an – mit wechselnden Teilnehmer/innen und unterschiedlichen Sprachniveaus. Ein Kurs hingegen ist in der Definition des ÖIF an ein bestimntes Niveau gebunden. Eingangs gibt es einen Test, der das Niveau des Teilnehmenden bestimmen soll. Ein Kurs dauert dann 5 Wochen mit 16 Unterrichtseinheiten und ist auf 16 Teilnehmern beschränkt. Also auch die Dauer und die Teilnehmerzahl sind im Gegensatz zu unserem Angebot genau fixiert.

2. Egal, ob Kurs oder Lerngruppe. Es ist wichtig, sich als Lehrender immer wieder folgende Frage zu stellen: Welche Fertigkeiten möchte ich mit der Übung trainieren? Prinzipiell können die Fertigkeiten Schreiben, Sprechen (monologisches Fließsprechen oder dialogisches Sprechen), Lesen sowie Hören geübt werden. Besonders bei Anfänger/innen sollte das Hauptaugenmerk auf die Fertigkeiten Sprechen und Hören gelegt werden. Es ist also sinnvoller, mehr Zeit in das wiederholte Hören von Youtube-Videos zu investieren als in die Abarbeitung von Grammatik- oder Lückentexten. Grammatik, meinte Martin Weinberger etwas provokant, sei – ähnlich wie die Astrologie – eine Erfahrungswissenschaft und für den Spracherwerb nicht so wichtig. Wichtiger sei es Sprache und somit auch Grammatik durch das wiederholende Üben von Formeln zu lernen. Beispiel: Wir gehen in das Haus; der Ball ist auf dem Tisch usw. Wir denken ja auch nicht beim Sprechen, welchen Fall wir jetzt verwenden müssen (3. oder 4. Fall?) und wie der jeweilige Artikel dekliniert wird, sondern wir verwenden automatisch die richtige Phrase.

3. Auch die soziale Dimension des Lernens darf nicht unterschätzt werden. Fortgeschrittenere Schüler können als Hilfslehrer fungieren, z. B. als Adjudant oder Sekretär. Das stärkt die guten Schüler und motiviert sie. Negative soziale Erfahrungen können sich wiederum prägend auf die Beziehung zur neuen Zweitsprache auswirken. Sätze wie „Du kannst nicht gut genug Deutsch!“ sind nicht motivierend und sollten vermieden werden.

4. Es gibt drei Lerntypen. 70% – 80% nehmen Informationen visuell auf, ca. 25% auditiv und eine ganz geringe Zahl ist haptisch gepolt. Menschen, die gut auditiv lernen, können leichter ins Sprechen kommen, lernen allerdings oft ein typisches Gastarbeiterdeutsch. Martin Weinberger rät auf jeden Fall zu authentischen Hörübungen und empfiehlt wiederholtes Hören von Menschen, die in kurzen, normalen Alltagssituationen reden, vielleicht sogar im Dialekt und in einem realistischen Tempo. Die Schüler müssen sich an den spezifischen Klang und Rhythmus der Sprache in einer Region gewöhnen. Besser die Hörprobe öfters wiederholen, statt zu unterbrechen und zu erklären. Dazwischen kann man sich mit den Nachbarn über Unverstandenes austauschen.

5. Für den Einsatz von Übersetzern gibt es keine Regel. Es kann sinnvoll sein, vor allem bei der Erklärung einzelner Wörter, es kann aber auch problematisch sein, wenn falsche Übersetzungen gemacht werden.

6. Prinzipiell sind Kreativität und Abwechslung gefragt. So kann z. B. die Koppelung an Bilder, Gegenstände, Gedichte, Lieder, Orte, Farben oder sinnliche Eindrücke hilfreich sein Auch Bewegung zwischendurch ist sinnvoll. Wenn es das Zeitbudget eines Ehrenamtlichen erlaubt, wäre also die Auseinandersetzung mit Memotechniken ein Fundgrube für kreative Ideen. Zum Abschluss noch ein konkreter Tipp: Wann merken sich Menschen etwas leichter? Na z. B wenn etwas extrem ist – also extrem groß oder extrem komisch. Ein sprachliches Hoppala merkt man sich folglich leichter. Und man kann darüber auch herzhaft lachen.

Alexandra Eichenauer-Knoll