Ich habe in letzer Zeit kaum Blogeinträge geschrieben. Nicht, weil es nichts zu berichten gäbe – nein ganz im Gegenteil – sondern weil so unglaublich viel los ist! Denn die kleinen und großen Besucher und Besucherinnen des Comedor del Arte haben inzwischen verstanden, wie unser Begegnungshaus funktioniert. Wir stellen Raum, Material und natürlich auch unsere Zeit zur Verfügung. Unsere Gäste wiederum können diese Ressourcen nach Belieben nutzen und werken. Denn der Comedor ist das, was wir alle daraus machen!
Die Geschichte von Ramazan Sadegi ist ein gutes Beispiel dafür. Er kam eines mittwochnachmittags, als wir mit den Kindern gerade auf den Webrahmen herumprobierten. Wir hatten einige alte Webrahmen dankenswerterweise von der Volksschule Hainfeld geschenkt bekommen. Einige Kinder kannten die Technik aus der Schule und erwiesen sich recht geschickt. Aber es gibt viel Angebot bei uns und der Webrahmen ist auch nur eine Möglichkeit unter vielen. Und so erlahmte das Interesse daran auch wieder.
Für Ramazan hingegen war der Webrahmen eine gute Gelegenheit, um uns einmal sein Können unter Beweis zu stellen. Ramazan kommt aus Afghanistan und hatte mit acht Jahren schon als Teppichknüpfer zu arbeiten begonnen. Er nahm also einen der Rahmen in sein Quartier mit, zeichnete verschiedene Entwürfe und ließ Franz Witzmann einen davon auswählen. Dann begann er mit der Arbeit. Die nötige Wolle besorgte ihm Franz im Hainfelder Nähcafé. Drei Tage brauchte er, um einen kleinen hübschen Teppich herzustellen, der auch eine ganz besondere Geschichte erzählt. Die Geschichte einer Freundschaft nämlich – zwischen dem Hainfelder Franz und dem jungen Flüchtling Ramazan.
Ich stellte Ramazan bei der Übergabe des Kunstwerks noch ein paar Fragen:
Ramazan, Du hast schon mit acht Jahren in Afghanistan als Teppichknüpfer gearbeitet. Wie viele Stunden am Tag?
R. Sagedi: Ich habe jeden Tag drei Stunden als Tepppichknüpfer gearbeitet.
Wie groß waren die Teppiche?
R. Sagedi: Wir haben große Teppiche geknüpft, 6 x 6 m oder 3 x 3 m, aber das habe ich nicht alleine gemacht, sondern immer zusammen mit zwei oder drei Leuten.
Für wen habt ihr die Teppiche gemacht?
R. Sagedi: Ich weiß das nicht, wir haben nur gearbeitet, wir waren Kinder.
Du hast jetzt einen kleinen Teppich für den Comedor gemacht. Was bedeutet dieser Teppich?
R. Sagedi: Auf dem Teppich sind zwei Schmetterlinge, ein weißer und ein roter. Außerdem vier Schuhe, die Schuhe sind alleine. Sie sind alleine wie die Leute, die alleine reisen, wie ich zum Beispiel und viele meiner Freunde. Wir sind alleine hier ohne unsere Familie.
Was sieht man noch auf dem Teppich?
Ich habe Buchstaben gemacht, F und R, Z und N. Das bedeutet F wie Franz und R wie Ramazan. Es sind auch die Buchstaben von Franz. Ich habe den Teppich für Franz gemacht.
Der Teppich wird im Comedor del Arte aufgehängt werden. Wohin? Hast Du einen Wunsch?
Ramazan zeigt auf ein gezeichnetes Portrait von Franz über dem Whiteboard.
Noch eine ganz andere Frage. Ramazan, wie gefällt es Dir in Österreich?
R. Sagedi: Mir gefällt es wunderbar. Die Landschaft gefällt mir auch.
Du spielst Fußball?
R. Sagedi: Ja, ich spiele in der Hainfelder Mannschaft, ich bin dort im Mittelfeld. Ich habe viele Freunde dort. Ich bin der einzige Afghane, die anderen sind alle Österreicher.
Lieber Ramazan, danke, dass Du Franz so einen schönen Teppich gewebt hast!
Text: Alexandra Eichenauer-Knoll