Und da ist soviel Freude.

Ein Mittwoch Nachmittag. Ich gehe von der Arbeit ins Comedor. Gestern habe ich etwas vorbereitet und hoffe, dass ich ein paar mitmachwillige Menschen antreffe. Meistens war es bisher eine kleine Gruppe von Kindern, die ich mit meinen Basteleien anlocken konnte. Doch die sind heute nicht da. Stattdessen sind im Comedor einige nette Erwachsene anwesend.
Nachdem ich angekommen bin, hole ich die Papierquadrate aus der Tasche. Jedes Quadrat hat einmal eine Geschichte erzählt. Mir unbekannte Geschichten aus vergangener Zeit. Da ist ein Bengalischer Tiger, rote Weihnachtskugeln und eine ältere Dame im Schwimmbad.
Das bedruckte Papier kommt heute zu neuen Ehren.
Worum es genau geht: Meine Idee aus nicht mehr gebrauchten Zeitschriften kleine Schachteln zu falten.

Ich setze mich, bereite meinen Arbeitsplatz vor. Der erste Interessierte setzt sich zu mir. Es ist Mohammed. Den ich zwar mit Sprache nicht verstehe, dessen liebe offene Art mir aber immer sehr ans Herz geht.
Er bittet mich mit nonverbalem Charme ihm meine Idee mitzuteilen.
Schritt für Schritt erarbeiten wir uns die Schachtel. Sie nimmt Gestalt an, es hackt manchmal, dann läuft es. Es läuft richtig gut. Der Prozess beschleunigt sich, während wir dabei zur Ruhe kommen.
Dann kommt Mujtabar dazu.
Das Falten der Schachteln vertreibt meine Gedanken. Als würde ich meditieren .. nur eben mit Papier. Ganz nebenbei und ruhig gesellt sich Ali zu uns.

Ich weiß, dass er beim Sterne falten – das letzte Origami Projekt im Comedor – schon sehr viel Können und Begeisterung bewiesen hat. Deswegen freut es mich besonders, ihn an meiner Seite zu haben. Ich weiß, jetzt geht echt was weiter.

Wir vier arbeiten konzentriert, manchmal unterbricht ein kurzes Gespräch die arbeitsame Stille. Es ist wirklich schön.

Ich sehe, wie aus meiner Idee eine ganz konkrete Sache wird. Und da ist soviel Freude. Ich beobachte aus dem Augenwinkel wie Mujtabar sich aus dem Papierstapel das nächste Motiv für eine Schachtel aussucht. Er nimmt nicht einfach irgendeines. Er sucht sich eines, das ihn anspricht. Das für ihn eine Geschichte erzählt. Das probiere ich auch aus. Eine schöne Auswahl Papierquadrate liegt vor mir, jetzt nehme ich die kleine Karte von Los Angeles, dann kommt der Tiger dran, das eine mit dem Schmetterling möchte ich auch noch ausprobieren.

Zum Abschluss werden alle Schachteln zusammengestellt und das Gesamtwerk wird fotografisch verewigt. Das Blatt mit der schwimmenden älteren Dame wurde zu einer vielbeachteten kleinen Schachtel. Ali positioniert sie beim Fotografieren so, dass keiner sie übersehen kann.

Als sich dann eine große Schachtel mit vielen kleinen Schachteln füllt, bin auch ich erfüllt: Mit  Stolz und Zufriedenheit. Es hat soviel Spaß gemacht, diese Schachteln gemeinsam mit Mohammed, Ali und Mujtabar zu gestalten.

Gestern hatte ich noch diese Idee, diese Vorstellung, den Schatten an der Wand. Und heute sehe ich das bunte Schauspiel.

Diese Schachteln, deren Papier mir gestern noch nichts bedeutet hat, erzählen für mich heute eine neue Geschichte. Die Geschichte von einem guten Miteinander.

Liebe Grüße, Cornelia