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Standkundgebung unter der Regenbogenfahne

Am Freitag, dem 16. Juni um 16.00 Uhr, versammeln wir uns in einer offiziell angemeldeten Kundgebung, um Solidarität zu zeigen: mit den Angehörigen der LGBTQ+-Community*. Diese Aktion entspricht unserem Selbstverständnis als einem toleranten und weltoffenen Projekt.

Auch, wenn wir uns bislang vor allem für Menschen aus anderen Ländern und für Angehörige anderer Religionen eingesetzt haben, so schließt unser Selbstverständnis natürlich auch die Solidarität mit Menschen der LGBTQ+-Community mit ein.

Wir versammeln uns an jenem Ort, wo die Gemeinde Hainfeld im Pride-Monat Juni die Regenbogenfahne gehisst hat. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: der Victor Adler Platz in Hainfeld.

Wir stehen zu dieser Aktion umso bewusster, nachdem vor kurzem in unser Haus eingebrochen wurde und die Regenbogen-Fahne, die monatelang aus dem oberen Comedor del Arte-Fenster hing, gestohlen wurde. Diese sinnlose Tat hat uns bewusst gemacht, wie schwierig es doch für einige Mitmenschen ist, Anderssein anzuerkennen und zu respektieren. (vgl. NÖN-Bericht)

Wir möchten mit dieser Standkundgebung daher auch aufklären. Denn zu schweigen heißt gleichzeitig  jenen Recht geben, die hetzen. Es geht hier nicht um ein im Grunde wertloses Stück Stoff, sondern es geht um ein wichtiges Symbol einer offenen Gesellschaft. Uns diese Fahne zu stehlen, ist der erste Versuch, uns der sie symbolisierenden Rechte und Freiheiten, also der in der österreichischen Verfassung festgeschriebenen Grundrechte, zu berauben.

Wir haben viele Freunde und Freundinnen, die anders sind. Sei es, weil sie aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, weil sie andere Muttersprachen als Deutsch sprechen, weil sie anders aussehen, weil sie ihren Gott anders benennen oder weil sie eine andere sexuelle Orientierung leben. Wir bewerten das nicht, wir verurteilen das nicht. Wir sehen das Verbindenden und nicht das Trennende. Wir schätzen diese Vielfalt, weil sie uns bereichert und beschenkt.

Das konkrete Programm und die RednerInnenliste für den 16.6. sind derzeit noch in Ausarbeitung. Bereits sicher ist, dass wir auch eine Schweigeminute für die Opfer von Verfolgungen, damals wie heute, einplanen möchten.

*PS: Reinhard Jölli, gebürtiger Hainfelder, der schon lange in San Francisco lebt, hat mir noch geschrieben:

Als Ergänzung zur Uebersetzung …….bei uns wird jetzt üblicherweise noch ein „+“ Zeichen angehängt, im wesentlichen, um auch andere Leute oder Gruppen, die mit den Buchstaben LGBTQ noch nicht beschrieben sind, mit einzuschließen. Manchmal sieht man auch noch zusätzliche Buchstaben angehängt.
Hier ein Auszug aus einem Artikel der das beschreibt: „LGBTQ+ is often used as a succinct way to encapsulate the broad array of sexualities, genders, and experiences that exist within our community. For those unfamiliar with the initialism, LGBTQ+ stands for lesbian, gay, bisexual, transgender, and queer. The plus sign symbolizes the other innumerable identities included under the LGBTQ+ umbrella, like asexual and intersex.

Das Comedor del Arte – Fahrradprojekt

Wie sich wieder einmal Eins ins Andere fügte …

Ich gebe gemeinsam mit Uschi Berthold in der Unterbringung Klammgruberhof Lernbegleitung Deutsch für Menschen im Asylverfahren. Nach einem für die Menschen dort beschwerlichen Winter stieg mit den wärmeren Tagen auch der Wunsch nach selbstbestimmter Mobilität. Verständlich. Denn das Quartier liegt in der Einöde, acht Kilometer von Hainfeld entfernt, die Bustickets sind rar und müssen untereinander weitergereicht werden. Fahrräder würden da schon helfen.

Ich versprach also meinen SchülerInnen, mich um Fahrräder umzuschauen und begab mich im ersten Schritt auf die Gemeinde Hainfeld. Das Gemeindeamt fungiert schon seit längerem auch als Fundbüro. Gemeinsam mit der freundlichen, zuständigen Dame besichtigte ich den Keller des Rathauses. Dort lagern zahlreiche Fahrräder ohne BesitzerInnen. Allerdings wurde mir erklärt, dass diese Fahrräder zehn Jahre lang aufbewahrt werden müssen. Nach einem Jahr Lagerung dürfen sie verborgt werden, mit der Auflage, dass sie jederzeit wieder zurückgegeben werden können, falls sich der/die EigentümerIn meldet. Das konnte ich natürlich nicht versprechen. Nur die ältesten zwei Fahrräder konnte ich daher bedenkenlos mitnehmen. Und so schob ich diese, schon sehr patschert bereiften, Räder in unser Begegnungshaus Comeder del Arte.

Franz war darüber nicht begeistert. Was sollen wir mit diesen kaputten Rädern, die könne man gleich zum Müll bringen, meinte er sinngemäß. Da wir kein Auto zur Fahrradmontage oder einen Anhänger haben, fühlte ich mich schuldbewusst. Wie bringe ich das Klumpert jetzt wieder weg? Warum hatte ich die Räder überhaupt mitgenommen?

Da kam Salaad Maxamad, ein im Klammgruberhof wohnender, gebürtiger Somalier vorbei und ich zeigte ihm die Fahrräder. Und welche Überraschung: Er war begeistert! Die Reifen seien doch wie neu, meinte er in seinem, für mich sehr schwer verständlichen, Somali-Englisch. In diesem Moment wurde mir der große Unterschied zwischen uns verwöhnten EuropäerInnen und einem Menschen wie Salaad bewusst. Was wir wegwerfen, ist für ihn beinahe neuwertig! Motiviert ging ich also mit dem jungen Mann ins Kaufhaus Eichberger und kaufte ein Fahrrad-Reparaturset sowie alles, was er in diesem Moment noch gut brauchen konnte: Klebeband, Ölspray, Fahrradschloss und ein LED-Licht. Wenn schon, denn schon! Eine Fahrradpumpe fand sich im Comedor del Arte, die händigten wir ihm auch aus.

Im Handumdrehen – oder besser im Radumdrehen – hatte Salaad beide Räder in der Comedor-Küche repariert. Eines nahm er für sich, eines wollte er seinem syrischen Freund Ibrahim geben. Ich kaufte ihm an diesem Tag noch einen Helm, damit er auch wirklich sicher unterwegs ist.

Seit diesem Tag ist Salaad mein Ansprechpartner für Räder. Irgendwann erzählte er mir, dass er in Somalia auch Autos gefahren sei – ohne Führerschein allerdings, und ­– für mich noch viel erstaunlicher – ohne Türen und ohne Bremse!

Ich erzählte die Geschichte herum und bekam infolge tatkräftige Unterstützung vonseiten der Hainfelder Schwestern Elfi und Elisabeth Hasler, die noch zwei Räder sowie zwei Helme spendeten. (Elfi ist Obfrau des Vereins „Wir Hainfelder“ und Elisabeth ist seit der letzten Generalversammlung die zweite Rechnungsprüferin unseres Vereins.) Ein Kinderfahrrad stiftete ein anderer Freund. Salaad war also gut beschäftigt! Über die Freude eines ukrainischen Kindes, dem er das Kinderrad reparierte, erzählt er gerne. Es tut ihm sichtlich gut, etwas Sinnvolles zu tun und andere, kraft seines handwerklichen Geschicks, beschenken zu können. Inzwischen schaut er sich am St. Pöltner Flohmarkt nach Ersatzteilen um.

Ich habe nun im Deutschkurs eine Liste von Fahrrad-InteressentInnen aufgelegt und bin derzeit auf der Suche nach weiteren sieben Rädern. Schau ma mal…  Es ist ja auch ein Kommen und Gehen im Quartier. Ich weiß also nie, ob jemand in der nächsten Woche noch am Kurs teilnimmt oder schon fortgezogen ist. Trotzdem macht es Sinn, weiter nach Fahrrädern zu suchen.

Der Verein „Wir Hainfelder“ stellte uns inzwischen zum Ankauf gebrauchter Räder ein Budget von max. € 500,- zur Verfügung. Das Geld stammt aus dem Sozialprojekt des Weihnachtsteams. Danke vielmals!

Wenn auch Sie uns ein Fahrrad schenken wollen oder eines sehr günstig (max. € 50,-) abzugeben haben, dann melden Sie sich bitte. Helme, Warnwesten, Fahrradschlösser und LED-Lichter sich ebenfalls sehr willkommen!

Rufen sie mich an unter: 0664 / 1026798

Herzlichst, Alexandra Eichenauer-Knoll

 

 

 

Die spürst du nicht – eine Buchempfehlung

„Wer einen gut geschriebenen Roman lesen will, der durch die schiere Kraft der Idee, die dahinter steht, vorangetrieben wird, wird von Glattauer gut bedient. Wer als Leser, Leserin aber nachspüren will, was der Tod des Mädchens Aayna bei denen, die ihn erleben, verantworten, ertragen müssen, auslöst; oder wer annähernd spüren will, was Flucht in eine Gesellschaft bedeutet, die letztlich herzlich desinteressiert ist an den Opfern, die sie produziert, wird das Buch mit einem Gefühl der inneren Leere zuschlagen.“

Aus Cathrin Kahlweit: Daniel Glattauer „Die spürst du nicht“: Ende gut, gar nichts gut
Süddeutsche online 24.3.2023

Ich habe in der Süddeutschen-online eine Kritik des neuen Buches von Daniel Glattauer gelesen. Die oben zitierte Textstelle ermunterte mich, Widerspruch zu formulieren.

Cathrin Kahlweit meint in ihrer SZ-Buchrezension, dass jene, die zum Fluchthema ernsthaft hinspüren möchten „mit dem Gefühl einer inneren Leere“ zurückbleiben. Innere Leere? Der Ausdruck hat mich elektrisiert, weil ich nach der Lektüre von „Die spürst du nicht“ so voller Emotion war, also ganz das Gegenteil eines Gefühls von innerer Leere verspürte. Aber vielleicht hat der Autor bei mir einfach etwas geöffnet, alleine durch „die schiere Kraft der Idee, die dahinter steht“ (siehe Zitat oben). Ich meine also, es war für mich gar nicht nötig, die einzelnen Figuren und ihre Emotionen so genau auszuformulieren. Und ich frage mich, ob dieser Anspruch nicht überhaupt zu hoch gegriffen ist?

Obwohl ja, ich gebe es zu. Als ich das Buch am Ladentisch sah, hatte ich meine Vorbehalte. Ich war auch ein großer Fan von „Gut gegen Nordwind“ gewesen und von den Nachfolgewerken etwas enttäuscht. Und überhaupt, die werbenden Keywords für das Buch ließen mich zweifeln. Bobofamilie trifft auf somalische Flüchtlinge. Ich kann damit nicht soviel anfangen. Ich kenne so viele Menschen in der Helfer:innenzene für geflüchtete Menschen, die so gar keine Bobos sind. Und überhaupt, diese dauernden Schubladisierungen nerven einfach. Da wir aber seit 2016 ein Haus in Hainfeld betreiben, wo sich „Hiesige und Zuagroaste“ treffen können und ich überdies in einem Flüchlingsquartier in der Nähe Deutsch unterrichte, dachte ich mir, das Buch ist für mich quasi eine Pflichtlektüre, also nimm es zur Hand!

Meine Skepsis schlug schon nach wenigen Seiten in Begeisterung um. Es brauchte nur einen Samstagabend und ein längeres Sonntagsfrühstück, bis ich bei den letzten Seiten angelangt war. Der spannende abschließende Dreh, dass zum Schluss die Geschichte der somalischen Familie erzählt wird, und zwar nicht nur den Protagonist:innen des Romans, sondern auch den Leser:innen, also mir, begeisterte mich. Das flotte Buch eines Erfolgsautors als ein Forum für ein Thema nützen, um das sich alle herumdrücken – Politiker:innen, aber auch Menschen, die man persönlich kennt. Und sicher nicht nur Bobos …

Ich habe das Buch zugeschlagen und begann sofort zu recherchieren. Über den Autor und dass er selbst somalische Jugendliche begleitet habe, und vor allem über Somalia selbst. Warum suche ich regelmäßig nach Nachrichten über die Ukraine, Afghanistan oder den Iran, ja sogar über Venezuela, denn auch aus Venezuela flüchten Menschen nach Österreich, warum aber noch nie über Somalia? Ich hatte etwas übersehen, und es war nicht nur ein Thema, sondern vor allem eine Gruppe Mitmenschen.

Das nächste Mal im Deutschkurs spürte ich, wie ich dem jungen Mann aus Somalia etwas näher war also sonst. Ein junger Mann mit einem hübschen Lockenkopf, der zwar etwas Englisch spricht, aber trotzdem so offensichtlich verloren und unglücklich wirkt. Ich war mütterlicher, liebevoller als davor. Es war, als hätte sich bei mir eine innere Blockade gelöst. Geschuldet war dieser Wandel meiner Wochenendlektüre.

Der Vorwurf der Leere

Noch ein paar Gedanken zum Vorwurf der Leere, den Cathrin Kahlweit in der SZ aufwirft. Ja, geht es nicht gerade um diese Leere? Ich finde nicht, dass die vom Autor eingebauten Kommentare aus Internetforen und Pressemitteilungen ablenken und nichts bringen. Im Gegenteil – so ist doch unsere Welt. Das ist ja das, was kaum auszuhalten ist. Wobei die Kommentare, die Daniel Glattauer erfindet, noch relativ erträglich sind gegen das, was das Netz in Wirklichkeit hergibt. Ist das Problem nicht gerade die Tatsache, dass dauernd Leute kommentieren, die nichts spüren, die leer sind, weil ihnen die Erfahrung, der direkte Kontakt zu den Geflüchteten fehlt? Sie reden über sie, aber nicht mit ihnen. Trotzdem lesen wir diese Äußerungen, diese hingepatzten Meinungen, als würden sie uns doch einen Strohhalm zum besseren Weltverständnis liefern können.

Aber auch helfende Menschen sind jenen, denen sie helfen möchten, nicht zwingend nah, die gute Absicht kann die Leere nicht immer auffüllen. Da wechseln sich Momente voll von Dankbarkeit mit Augenblicken, die Missverständnisse und Angestrengtheit signalisieren. Wir suchen nach Wörtern, die wir uns mühsam im Deutschkurs gemeinsam erarbeiten, um Brücken zu bauen – über die große Leere, die uns trennt. Scheinbar, weil wir unterschiedlichen Sprachen sprechen, aber auch weil unsere Geschichten und Emotionen einfach zu kompliziert sind.

Und was ist mit der Leere durch tragische Traumatisierungen bei den Betroffenen selbst? Erlebnisse, die verdrängt werden, weil man sonst einfach nicht weiterleben kann? Sich nicht zu spüren, was bedeutet das für Menschen mit einer Fluchtbiographie? Was bedeutet es zB für Ukrainerinnen, die hier bei uns versuchen ein normales Leben zu führen und mich tapfer anlächeln – was spüren sie in diesem Wahnsinn? Besser leer als zu viel Emotion? Manchmal ist das schlicht der einzige Weg durchzuhalten. Auch für mich.

Der Begriff Gutmensch

Cathrin Calweit schreibt in der SZ; „…. ; bisweilen scheint es fast, als wollte er die Sentenz von den „Gutmenschen“ in ihrer ganzen Plattheit beweisen.“ Ehrlich, ich kann den Begriff Gutmenschen schon nicht mehr hören bzw. lesen, er hat etwas schleichend Abwertendes in sich, ist irgendwie toxisch. Für mich sind die Figuren auch nicht so platt, sie sind eher hilflos. Ich finde es auch irreführend, gerade diese Figuren als Gutmenschen zu bezeichnen. Sie sind doch eher zufällig in die Sachen hineingestolpert, durch die Tochter, die ihre Freundin in den Urlaub mitnehmen wollte. Na gut, die Mutter beschreibt Daniel Glattauer als Grünpolitikerin in Wien. Aber es könnte genausogut einem FPÖ-Funktionär auf dem Land passieren, dass sich seine Tochter mit einem gleichaltrigen Mädchen aus zB Afghanistan anfreundet. Kinder sind bekanntlich Integrationsweltmeister:innen und scheren sich glücklicherweise nicht zwingend um die Parteizugehörigkeit ihrer Eltern. Und auch die Figur des seltsamen Anwalts aus Kärnten, dessen Ansichten anfangs eher als migrationsfeindlich beschrieben werden, der dann aber durch Zufall mit der somalischen Familie in Kontakt kommt und sich für diese einsetzt, erzählt ja genau davon. Vom Zufall, der einen Gutes tun lässt und nicht von der Kraft einer verinnerlichten moralischen Überzeugung.

Daniel Glattauer arbeitet das Thema und die Figuren flott ab. Trotzdem gelingt es ihm, eine große Frage in den Raum zu stellen: Was passiert, wenn wir uns darauf einlassen, Menschen mit einer Fluchtbiographie, die überdies noch aus einem uns fremden Kulturkreis stammen, zu begleiten? Was passiert also, wenn wir uns engagieren wollen? Ich finde, alleine diese Frage zu stellen, ist wichtig. Denn dass es nicht einfach ist, möchte uns der Autor gar nicht erst vorgaukeln. Das darauffolgende Drama ist für den Roman offensichtlich nützlich, macht die Situation verzwickt und den Text erst so richtig spannend.

Das Leben braucht solche Dramen hoffentlich in den meisten Fällen nicht. Was mir also ein wenig fehlt, ist zu erzählen, dass sich Engagement trotzdem lohnt. Diese Geschichte sollte nicht abschreckend wirken, sondern ganz im Gegenteil Neugier wecken. Trotz der Ratlosigkeit, trotz des Gefühls des immer wieder Getrenntseins, trotz der vielen Missverständnisse. Es lohnt jeder Versuch, mehr über die Geschichten der Menschen zu erfahren oder –  noch besser – mit ihnen in persönlichen Kontakt zu kommen. Um sie dann irgendwann vielleicht auch auf eine Woche Urlaub einzuladen. Mein Lebensgefährte und ich haben übrigens letzten Herbst einen jungen Mann aus Afghanistan auf eine Kurzreise nach Hamburg mitgenommen. Wir hatten viel Spaß zusammen. Ganz ohne Drama.

Daniel Glattauer nützt seine Popularität, um auf ein unpopuläres Thema hinzuweisen. Alleine dafür gebührt ihm in Zeiten wie diesen Respekt.

Die Poldi der Woche

Die „Poldi der Woche“ ist eine Art Auszeichnung, die in der Kronen Zeitung NÖ wöchentlich für ehrenamtliches Engagement vergeben wird. Am 27.1.2023 wurde Alexandra die Poldi der Woche. Mit im Bild das Buch „Yoga und soziale Verantwortung“.

Alexandra: „Es blieb mir nicht viel Zeit beim Gespräch, um zu erklären, wieso ich mein Handeln im Yoga gründen kann, aber das Buch spricht hoffentlich für sich.“

Dobryy vechir tobi. Eine Weihnachtsgeschichte aus Hainfeld.

Am Donnerstag vor dem Heiligen Abend organisierten Uschi Berthold und ich eine kleine Weihnachtsfeier für unsere Schüler:innen im Klammgruberhof. In diesem Quartier, acht Kilometer außerhalb von Hainfeld, sind derzeit Syrer und Ukrainer:innen untergebracht. Uschi Berthold, die Initiatorin der Neulengbacher Initiative Ankommen in Würde, kommt zweimal, ich einmal die Woche zu den Leuten. Die Lebens- und Lernumstände sind denkbar schwierig. Das Wichtigste ist, so denke ich, die Tatsache, dass wir überhaupt hinkommen und Zeit aufbringen – für persönliche, respektvolle Begegnungen auf Augenhöhe. Einfach da sein.

An diesem Nachmittag wollten wir vor allem miteinander eine gute Zeit verbringen und nichts Anstrengendes tun. Uschi brachte Kekse und Saft mit, ich einen Korb voller Obst. Außerdem hatte ich drei Lieder vorbereitet. „Leise rieselt der Schnee“ und „Still, still still“ standen auf meinem deutschsprachigen Programm. Vor allem das zweite konnte ich gut vermittelt. Ein Baby, das nicht schlafen will und dem wir gemeinsam sanft zuflüstern: Still, still still, und dann: Schlaf, schlaf, schlaf. Rührend wie die jungen Männer alle mitmachten. Das Singen übernahmen dann Uschi und ich.

Außerdem hatte ich ein ukrainisches Lied aufs Geratewohl vorbereitet, das ich in einem Heft für internationale Weihnachtslieder gefunden hatte: „Dobryy vechir tobi“. Da ein ukrainisches Paar bei unserer Feier mit am Tisch saß, probierte ich, es anzuleiten. Sie kannten es und sangen auch gleich mit. Doch das Zusammensingen wollte mir nicht so recht gelingen. Ich hatte zu Hause irrtümlich eine Oberstimme und nicht die bekannte Hauptstimme geübt. Aber zum Glück gibt es ja Youtube und Uschi hatte eine Lautsprecherbox mit! Damit ging es dann richtig gut und so sangen oder summten wir alle den Refrain mit: Raduysya! (Übers.: Jubiliert! Jubilate!)

Die Lautsprecherbox von Uschi erwies sich als ein echter Bringer, denn jede:r konnte seine/ihre Lieblingslieder am Handy suchen und dann den anderen vorspielen – und vor allem dazu tanzen! Wir hörten afghanischen Rap, kurdische und arabische Lieder, und dazwischen auch wieder mal ein alpenländisches Weihnachtslied.

Uschi und ich wurden dann gebeten, ein Tuch, das über das Flipchart gebreitet war, zu lüften. Darunter waren zwei Portraitzeichnungen versteckt, die Ammar, jetzt ein fleißiger Schüler in Hainfeld und ehemals Lehrer für bildende Kunst in Syrien, für uns angefertigt hatte. Wie schön, die Überraschung war ihm gelungen! Natürlich freute es mich auch, so jugendlich und mit so langen Haaren gezeichnet zu werden. 😉

Eine schöne Feier. Zwei Stunden, in denen sich die Probleme und Sorgen aller ausspannen konnten, denn wir alle waren ganz präsent, entweder selbst aktiv oder den anderen zuhörend.

Aber meine Geschichte geht noch weiter. Und jetzt wird es wirklich unglaublich!

Am Nachmittag vor dem Heiligen Abend kam ich zur Rotkreuz-Tafel in Hainfeld, um Gutscheine zu übergeben, die Elfi Hasler mit Familie und Freund:innen als Geschenk für die Tafel-Kund:innen organisiert hatte. Ich war ein paar Minuten früher dran und hörte aus einer Garage Leute singen. Beim Näherkommen glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen: „Dobryy vechir tobi…“

Die Frau, die dieses berühmte ukrainische Weihnachtslied mit einer klaren, starken Stimme sang, sprach leider kein Deutsch, aber ich konnte ihr meine Begeisterung trotzdem vermitteln. Sie wiederholte das Lied daher für mich und ich konnte tatsächlich, neben ihr stehend, in den Refrain einstimmen. Ist das nicht unglaublich?

Später kam eine sehr liebe ukrainische Bekannte, die eine Zeitlang an der Deutschlerngruppe im Comedor del Arte teilgenommen hatte, dazu. Ich bat sie, meine Frage zu übersetzen: Ob die Sängerin wohl ein Interesse am gemeinsamen Singen hätte? An ihrem strahlenden Gesicht konnte ich sofort ablesen, wie sehr ihr dieser Vorschlag Freude machen würde. Wir vereinbarten daher, dass wir unsere Kontaktdaten austauschen und uns vielleicht zum Singen wiedertreffen könnten. Mal etwas Ukrainisches, mal etwas Deutsches singen. So könnten wir alle voneinander lernen. Schau ma mal….

Sollte diese Idee Wirklichkeit werden, würde ich mich natürlich auch über einheimische Sängerinnen freuen. 😉 Bei Interesse also einfach melden unter: alexandra@comedordelarte.at

So, das war meine Weihnachtsgeschichte 2022.

Dobryy vechir tobi! Ich wünsche dir einen guten Abend!

Alexandra Eichenauer-Knoll

„Pass Egal Wahl“ in Hainfeld

Pass-Egal-Wahl in Hainfeld

Am 29. Jänner 2023 sind die nächsten Landtagswahlen in NÖ. Aus diesem Anlass hatten wir erstmals bei der Aktion „Pass Egal Wahl“ teilgenommen. Am Samstag, den 21. Jänner 2023, stande wir von 9 bis 14 Uhr beim Gemeindezentrum Hainfeld, neben der Apotheke. Es hat sich gelohnt. Franz berichtet genauer darüber – siehe unten!

Die Aktion fand an neun Orten in NÖ statt und wurde u. a. organisiert von:
 #zusammenHalt NÖ, Baden | VöMit – Miteinander in Bad Vöslau! | Ankommen – in Würde! & Karussell, Neulengbach | Verein Herzverstand, Hainfeld | Die Notbremsen – Flüchtlingshilfe Pillichsdorf, Wolkersdorf | Klosterneuburg hilft | Initiative Menschenrechte Scheibbs


Die Initiative  „Pass Egal Wahl“ wurde von SOS Mitmensch bereits 2013 ins Leben gerufen. Mehr Infos dazu und eine gute FAQ-Liste gibt es auf der Website von SOS-Mitmensch.

Wir sind davon überzeugt, dass diese Aktion ein wichtiges Thema in die Öffentlichkeit bringt: Immer mehr Menschen, die in Österreich leben und arbeiten, sind nicht wahlberechtigt. In Österreich dürfen 18% – fast ein Fünftel – der Bevölkerung im wahlberechtigten Alter, nicht an Wahlen teilnehmen. Viele dieser Menschen leben bereits lange hier, doch sie haben keinen österreichischen Pass. Um auf dieses Demokratiedefizit aufmerksam zu machen, findet im Vorfeld der Landtagswahl die Pass Egal Wahl statt.

Abgesehen davon ist es auch eine Schule für Demokratie. Eine Wahl bringt vieles auf den Punkt: sich zuerst einmal informieren, mitmachen, eine Wahlentscheidung treffen, das Wahlgeheimnis respektieren. Die Teilnahme an Wahlen ist ein zentraler Aspekt unserer Demokratie. Denn Demokratie lebt von Beteiligung, nicht von Ausschluss. Politische Teilhabe fördert die Integration und den sozialen Zusammenhalt. Daher ist das Wahlrecht für junge Menschen, die ihr Leben und ihre Zukunft in Österreich mitgestalten sollen, besonders wichtig.

Nicht zuletzt sollen die politischen Repräsentant:innen unseres Staates die gesamte Bevölkerung und deren Interessen vertreten.

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Und nun zum Nachbericht von Franz

Pass Egal Wahl am 21.1.2023 in Hainfeld

In der Nacht vor dem 21.1.2012 hatte es stark geschneit und wir hatten winterliche Bedingungen mit -3 Grad Celsius, weshalb weniger Menschen unterwegs waren als sonst an einem Samstagvormittag. Unser Standort im Durchgang zwischen Apotheke und Gemeindezentrum war gut gewählt. Erstens waren wir durch die Überdachung vor dem Schneefall geschützt und zweitens war die Apotheke stark frequentiert und wir konnten die herauskommenden Menschen auf unsere Aktion ansprechen und sie zur Stimmabgabe einladen. Außerdem war im Kultursaal eine Veranstaltung der Kunstakademie Hainfeld, die von Eltern mit Kindern besucht wurde und wir konnten auch aus dieser Gruppe mit einigen ins Gespräch kommen.

Sehr erfreulich war, dass einige MitbürgerInnen extra zur PEW z.B. aus Traisen zu uns gekommen sind. Während wir den Tisch aufbauten, kamen auch zwei PolizistInnen vorbei. Als ich ihnen einen Flyer zur Information geben wollte, meinten sie nur, dass sie bereits informiert seien. Ich hatte die Aktion bei der BH angemeldet und es ist naheliegend, dass sie aus diesem Grund bei uns vorbeischauten.

Wir waren von 9 bis 14 Uhr vor Ort und diese fünf Stunden waren von Anfang bis zum Ende mit Begegnungen und Gesprächen gefüllt. Wir erhielten Zustimmung zu unserer Aktion, es gab lange Gespräche und Diskussionen und vereinzelt wurde auch Ablehnung artikuliert, wie z.B. „Ich will nichts hören von den Ausländern!“ Für mich ist die Pass Egal Wahl eine Aktion unter dem Begriff „Schule der Demokratie“. Es ist die Möglichkeit im öffentlichen Raum zu informieren, zu diskutieren und die Mitmenschen zu mehr demokratischer Teilhabe zu motivieren. Bei einem Gespräch mit einem, offensichtlich von der Politik enttäuschten, Mitbürger konnte ich die Unterhaltung so beenden: „Schau, wir haben sehr unterschiedliche Ansichten, aber wir stehen hier und können unsere Meinungen offen und ohne Angst vor Repressionen aussprechen. Das ist Demokratie und dafür sollten wir uns einsetzen. Denn, Demokratie wird lebendiger, je mehr Menschen sich daran beteiligen.“

In diesem Sinne war es eine sehr gelungene Aktion. Das Thema der demokratischen Mitbeteiligung wurde im Ort (und im Bezirk durch die Medienberichte im Vorfeld) verbreitet und dadurch einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. Und wir persönlich wurden durch diesen Auftritt auch gestärkt. Es ist eine Übung, auch bei gegensätzlichen oder verwirrten Meinungen, ruhig und sachlich zu bleiben, zu argumentieren und trotzdem zu versuchen, mit dem jeweiligen Gegenüber respektvoll zu kommunizieren.

Außerdem sind wir schon ein bisschen stolz auf uns, da wir, obwohl in der letzten Stunde die Kälte in die Füße gewandert ist, bis zum Ende durchgehalten haben. 😉

Alles Liebe, Franz

Presse: NÖN-Bericht

Das Team der Pass-Egal-Wahl in Hainfeld: Franz Witzmann, Alexandra Eichenauer-Knoll, Renate Höfler und Ainullah Islami

Der Wirkungskreis unserer Tätigkeiten

Am 20.11.2022 haben sich Alexandra und Franz wieder einmal zusammengesetzt, um über die Entwicklungen im Comedor del Arte zu plaudern. Denn es macht Sinn, gelegentliche Haltepunkte zu setzen, um zu reflektieren und um Entwicklungen in Worte zu fassen. So wird manches auch klarer.

Alexandra: Wir haben für die nächsten Außenauftritte des Comedor del Arte unseren ersten Folder gestaltet, der unsere Arbeit kurz und verständlich vorstellen soll. Wir haben dafür vor allem Fotos ausgesucht, welche die Arbeit mit den Kindern präsentieren. Die Hausaufgabenbegleitung jeden Nachmittag, von Montag bis Freitag, steht ja in den letzten zwei Jahren im Mittelpunkt deiner Arbeit vor Ort.
Franz: Die Arbeit mit den Kindern ist immer wieder bereichernd, sinnstiftend und ein Spaß. Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis, die Kinder erzählen mir sehr viel. Besonders freue ich mich, wenn Fortschritte sichtbar werden, zB bei einem Erstklassler. Vor einer Woche hat er noch jeden Buchstaben einzeln gelesen und jetzt kann er schon die Buchstaben zusammenlauten. Die Kinder sind an die Struktur im Comedor gewöhnt, sie suchen den Kontakt, auch weil sie erkennen, wie sehr ihnen das hilft.

Medial sehr präsent ist der Ukrainekrieg. Wir werden daher immer wieder gefragt, ob wir Kontakt zu UkrainerInnen haben.
Unlängst erst gab es einen Anruf von einer Caritas-Mitarbeiterin aus Klosterneuburg wegen einem ukrainischen Jugendlichen, der in den Klammgruberhof verlegt worden war. Sie war dann auch im Comedor. Bei Bedarf helfe ich natürlich sehr gerne.
Ich habe auch schon dreimal mit einer Deutschlerngruppe für UkrainerInnen angefangen, aber die Leute waren relativ schnell wieder weg. Entweder weil sie weitergezogen sind oder weil sie Arbeit in der Nähe gefunden haben und keine Zeit mehr finden.

Neben der Lernbegleitung leistet der Comedor del Arte aber noch viel mehr und das könnte man gar nicht alles in einen Folder hineinpacken. Es wäre einfach zu verwirrend, oder?
Ja, neben der Arbeit mit den Kindern vor Ort gibt es noch ganz viele unterschiedliche Tätigkeiten, das stimmt. Und dabei vermischt sich das Private und die Arbeit als Leiter unseres Begegnungshauses. Es ist oft gar nicht mehr voneinander trennbar.
Mit Ainullah, der bei uns privat seit über einem Jahr wohnt, habe ich jetzt gerade die 1.000 km für den Führerschein gemacht und war auch bei der Führerscheinprüfung dabei, die er beim ersten Antritt bestanden hat. Ainullah ist inzwischen ein Familienmitglied für uns, aber begonnen hat diese Beziehung, als er 2019 auf der Klammhöhe untergebracht war und zu uns in den Comedor kam mit dem Wunsch Deutsch zu lernen.
Sehr ans Herz gewachsen ist mir auch Mika mit ihrer Familie, die sich gerade anfangs mit so viel Leidenschaft für das Projekt Comedor del Arte eingesetzt hat. Vor kurzem war ich als Zeuge am BVWG geladen. Sie und ihre Familie haben nun endlich, nach neun Jahren, einen Aufenthaltsstatus bekommen. Wir hatten die ganze Zeit Kontakt und sind gemeinsam durch viele Höhen und vor allem viele Tiefen gegangen.
Wir sind inzwischen eine sehr große Familie, die sehr weit verstreut lebt. Ich bin zB auch in Kontakt mit jemanden, der in den Iran zurückgegangen ist. Gerade jetzt, in diesem Ausnahmezustand, ist unsere Solidarität mit den Menschen dort wichtig. Meine iranischen Freunde schreiben: Bitte vergesst uns nicht! Als politisch interessierter Mensch und auch aus Verbundenheit zu den Menschen gehe ich daher auch zu Gedenkveranstaltungen oder zu Demonstrationen. Natürlich auch für die Hazara als besonders verfolgte Gruppe in Afghanistan. So war ich zB bei einer Veranstaltung am Stephansplatz in Wien, wo den Opfern des Anschlags auf eine Schule gedacht wurde. Ich treffe dort immer auch alte Bekannte und lerne neue Leute kennen. Meine Kamera ist immer mit dabei. Dadurch bin ich auch mit verschiedensten Initiativen in Kontakt gekommen, die sich für meine Fotos interessieren.
Ich habe durch lange Gespräche vieles über diese Länder gelernt, vor allem über Afghanistan und den Iran, welche Volksgruppen, wie viele Sprachen gibt es…? Wenn man stundenlang mit den Menschen zusammensitzt und über die Probleme, aber auch über die Schönheiten des Landes spricht, entsteht eine starke Beziehung. Dann bangt man auch mit, mit denen, die noch dort sind oder mit Freunden, die ihre Familie besuchen. In letzter Zeit waren drei afghanische Freunde im Iran und haben dort ihre Familien besucht, es war genau in der Zeit, als die Proteste losgegangen sind. Ich war sehr froh, nachdem sich alle drei wieder zurückgemeldet hatten.

Am 3.11.2022 findet in St. Pölten ein Treffen von #zusammenHaltNÖ statt. Der Verein Herzverstand ist eine von mehreren Initiativen, die diese Einladung mittragen. Wie kam es dazu?
#zusammenHaltNÖ gibt es schon einige Jahre, diese Initiative ist aus der Flüchtlingsbewegung entstanden. Im vergangen Jahr hat der Prozess gegen Landesrat Waldhäusel begonnen, verschiedene Engagierte haben den ganzen Prozess mitverfolgt und aus diesem Anlass auch Protestaktivitäten organisiert. Daraus entstand das Bedürfnis, ein Treffen zu veranstalten, um sich persönlich auszutauschen, die Initiativen mit ihren Anliegen vorstellen und gemeinsame Ziele zu definieren, die wir an die Politik herantragen können. Es gibt ja im ganzen Land engagierte Menschen, aber mit einer Plattform wird man wirkmächtiger. Unsere Anliegen sollen gehört werden!

Die Zivilgesellschaft will also politischen Einfluss bekommen. Das war nicht immer zwingend so. Es gibt ja noch immer Leute, die helfen, aber sich keinesfalls auf politische Diskussionen einlassen möchten.
#zusammenHaltNÖ ist nicht parteipolitisch und wir wollen uns auch nicht von Parteien vereinnahmen lassen. Zurzeit sind wir zehn Vereine mit den unterschiedlichsten Menschen – vom katholischen Missionar bis zu Menschenrechtsaktivisten, die sich für sichere Häfen einsetzen. Seit ca. 2,5 Jahren versucht die Initiative #zusammenHaltNÖ, einen Gesprächstermin bei der NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu bekommen. Es war bislang nicht möglich. Das ist schon einzigartig in NÖ, denn in anderen Bundesländern gibt es in den Bezirkshauptstädten Sprechstunden. Das Argument ist, dass sie ohnehin im Land unterwegs sei. Ehrenamtliche werden zwar auf Veranstaltungen ­gelobt, das kennt man, aber wir haben ja auch eine Expertise und könnten wertvollen Input liefern. Das wird uns verwehrt. Aufgrund dieser Tatsache, nämlich dass wir kein Gehör finden, ist der Wunsch entstanden, uns breiter in einer Plattform aufzustellen. Wir wollen uns für ein demokratisches und für ein auf den Menschenrechten basierendes Miteinander einsetzen. Wir leben in einer realen Demokratie und können, dürfen und sollen uns artikulieren.

 

Solidaritätsdemo in Wien für die Opfer eines Anschlags auf eine Schule in Kabul, Foto: Witzmann
Solidaritätsdemo in Wien für die iranische Freiheitsbewegung. Foto: Witzmann

 

Audite! Die Comedor del Arte Familie im Netz

Das Haus Comedor del Arte in Hainfeld hat im Laufe der letzten sieben Jahre schon vielen Besuchern und Besucherinnen Platz geboten. Derzeit sind es vor allem Kinder, die regelmäßig nachmittags zur Hausaufgabenbegleitung  eintrudeln. Für all jene, die weitergezogen sind, hat sich hingegen ein neuer Ort etabliert, wo man Informationen austauschen und seine Verbundenheit mitteilen kann: die Facebookseite des Comedor del Arte.

Franz Witzmann klinkt sich fast täglich auf Facebook ein, auf seine eigene wie auch auf die Comedor del Arte Seite, wobei beide Seiten durchaus in Beziehung zueinander stehen. Im Gespräch mit Alexandra Eichenauer-Knoll erzählt er über die Comedor del Arte Familie im Netz und welche Vorteile dieses Medium für die Zusammenarbeit innerhalb der österreichischen Zivilgesellschaft bringt.

Soviel voweg: Die Tatsache, dass Franz auch gerne Fotos macht und teilt, kommt in der Community sehr gut an. Die meisten Herzen bekommen dabei Kinderfotos.

PS: Sollte sich diese Audiodatei noch etwas ruppig im Schnitt anhören, so bitten wir um Nachsicht… Alexandra hat sich erstmals im Schneiden einer Audiodatei versucht.  😉

Aus der Stille in den Alltag

Die freie Journalistin Tina Engler hat mit Alexandra Eichenauer-Knoll ein Interview für die deutsche Zeitschrift VISIONEN geführt. Anlass war die Erscheinung ihres Buches: „Yoga und soziale Verantwortung“.

In diesem Interview finden zwei Welten, verknüpft durch Text und Bild, zusammen, die für Alexandra besonders wichtig sind – der Yoga und ihre Arbeit für den Comedor del Arte. Drei Bilder von Comedor del Arte Projekten sind in diesem Artikel richtig schön groß abgebildet: Alexandra vor der Tafel beim Deutschkurs stehend, das Puppenkleider-Nähworkshop und das Jeansschürzen-Nähworkshop.

Hier das PDF zum Download:

VISIONEN 2022_04-Yoga soziale Verantwortung – Engler

Einfach herzlich

Unsere Heimat ist das Magazin der Region Traisen-Gölsental und erscheint einmal jährlich zu einem Schwerpunktthema. Dafür ist es besonders aufwändig konzipiert und recherchiert sowie liebevoll gestaltet. Heuer widmet sich das Magazin dem Schwerpunkt Kinderbetreuung. Einen Nachmittag lang war das Team rund um die engagierte Agenturchefin Sandra Gruberbauer von textART auch zu Gast bei uns im Comedor del Arte. Es entstanden wunderbaren Fotos und ein Text, der unsere Stärken in aller Kürze gut auf den Punkt bringt. Wir freuen uns sehr darüber!

Zum Download:

unsere-Heimat-2022

Wir haben die Macht zu helfen.

Franz Witzmann im Gespräch mit Alexandra Eichenauer-Knoll über die aktuellen Aktivitäten im Comedor del Arte.

Alexandra: Lieber Franz, es ist der 10. Mai 2022, wir sitzen jetzt gerade beim Mittagessen zusammen und ich frage dich: Wie geht’s im Comedor del Arte?
Franz: Heute habe ich wieder mit einer neuen Deutschlerngruppe gestartet – mit Alla und Maryna aus der Ukraine. Mohammad und Kadija waren auch dabei. Es waren gute Begegnungen. Die zwei Ukrainerinnen wollen rasch lernen. Wir haben trotzdem erstmal mit dem Alphabet angefangen, damit sie da sicherer werden. Das ukrainische Alphabet ist doch anders. Ich starte erstmal mit Dienstag und Donnerstag, sie würden gerne jeden Tag kommen – schauen wir mal, wie das weitergeht. Ich habe wieder gemerkt, wie großen Spaß es mir macht, Menschen in die Sprache zu führen, überhaupt so eine lernbegeisterte Kleingruppe. In den zwei Stunden haben wir heute wirklich sehr viel weitergebracht. Ich möchte ja alle vier Kompetenzen schulen: schreiben, lesen, sprechen und hören.

Das ist jetzt schon der dritte Start mit einer Deutschlerngruppe für Ukrainer:innen. Die ersten sind relativ rasch in die USA ausgewandert, die zweite Gruppe nach Graz weitergezogen. Du bleibst flexibel.
Ja, und es gibt ja auch sonst viel zu tun. Wir haben jeden Nachmittag Kinder zur Hausaufgabenbegleitung bei uns. Das läuft gut. Gestern kam wieder ein neues Geschwisterpaar, deren Mutter war bereits am Freitag gekommen und hatte angefragt. Die Familie ist schon über zwei Jahre in Hainfeld. Es hat ihnen recht gut gefallen. Ihr letzter Wohnort war Laibach. Im Moment haben wir wieder eine ziemliche Sprachenvielfalt, zu Arabisch und Dari gesellen sich jetzt mehr slawische Sprachen bzw. Worte.
Der Kontakt der ukrainischen Frauen mit der afghanischen Familie heute war auch sehr berührend. Wir haben Wortschatzübungen gemacht, auf Ukrainisch, Deutsch und Dari.

Lernst du dabei auch etwas?
Naja nicht viel, aber Danke kann ich in den meisten Sprachen sagen. Dyakuyu auf Ukrainisch, Spasibo auf Russisch, tašakkor auf Dari.

Viele Kinder kommen derzeit  in den Comedor. Da bietet es sich an, wieder beim Hainfelder Ferienspiel mitzumachen.
Richtig und ich habe auch schon bei Judith Gramm angefragt, die bei uns heuer ein Tanzworkshop angeboten hat, ob sie dazu wieder Lust hätte. Sie macht wahrscheinlich mit. Der letzte Workshop war sehr intensiv. Die Kinderschar ist schon herausfordernd. Es sind ein paar sehr akrobatische Kinder mit auffallend guter Körperbeherrschung dabei.

Der Comedor del Arte entwickelt sich auch immer mehr zu einem Treffpunkt für Kinder und Jugendliche.
Genau, der Comedor ist ja ein offenes Haus. Kinder kommen auch mal kurz vorbei und fragen: Ist der Shahab da, ist der Abdel da? Es ist sehr schön zu erleben, dass eine so große Vertrauensbasis unter den Kindern herrscht. Aber auch uns, den Betreuer:innen, wird viel Vertrauen geschenkt. Die Kinder erzählen uns alles, über ihre Reisen, Verwandtenbesuche oder was sie über die Feiertage gemacht haben. Und natürlich auch über ihren Ärger in der Schule.

Es entwickelt sich immer wieder etwas Neues. Diese Flexibilität zeichnet den Comedor aus.
Es braucht einen fixen Ort, den Comedor, das war der Grundgedanke von Anfang an und der ist noch immer richtig. Das Andere entwickelt sich dann schon. Oft weiß ich gar nicht, woher die Kontakte kommen. Immer mehr Leute verweisen auf uns, eine ukrainische Frau kam z. B. über das AMS. Wir sind also eine Institution, haben auch Kompetenzen, aber keinerlei Macht.

 Aber wir haben die Macht zu helfen.
Ja und auch selbst gute Unterstützung. In den letzten Monaten sind die Nachmittage weniger anstrengend, weil Renate Höfler sehr regelmäßig kommt und auch Veronika Auer ein- bis zweimal die Woche mithilft. Das entlastet mich sehr.

Wenn man die Nachrichten hört, könnte man nur weinen. Aus Afghanistan die neueste Schlagzeile „Taliban beschließen Burka-Pflicht für Frauen“.
Ja, und wie immer bewahrt mich aktives, zielgerichtetes Tun vor dem Wahnsinn. Würde ich nichts tun, mir alle die Nachrichten reinziehen und eine Meinung zu bilden versuchen, wäre ich überfordert. Gegen gewisse Sachen kann ich sowieso nichts tun, ich kann Putin nicht aufhalten oder die Taliban entmachten, aber ich kann hier etwas tun, das anderen hilft und Sinn macht. Die beste Strategie ist also aktives Tun. Und es gibt eh so viel zu tun.

Es gibt Leute, die sagen, ich will mir diese Verantwortung nicht aufbürden lassen, ich will nichts tun. Muss man etwas tun?
Nein, man muss sich nichts aufbürden lassen. Ich will niemandem etwas aufbürden. Ich kann nur sagen, für mich ist es eine Riesenbereicherung, aber manchmal auch sehr herausfordernd. Dann muss ich darauf achten, dass es auch mir selbst gut geht. Wenn sich jemand aber lieber lächelnd dem Müßiggang hingeben will, mag das eine genauso gute Entscheidung sein. Es gibt so viele Lebensentwürfe, ich will darüber nicht urteilen. Für mich ist es jedenfalls heilsam etwas zu tun.

Yoga und soziale Verantwortung – Bucherscheinung

Liebe Freundinnen und Freunde des Comedor del Arte!

Ich habe ein Buch geschrieben, worin ich meine Arbeit als Yogalehrerin mit meinem Engagement, u. a. auch für den Comedor del Arte bzw. den Verein Herzverstand, verknüpft habe. Es freut mich, dass es nun in Hainfeld präsentiert wird:

Buchpräsentation in Hainfeld am 21. Mai 2022 und Vortrag:
„Über die Geschichte der sozialen Verantwortung und Eigenverantwortung heute“.

Im Rahmen des NÖ-Museumfrühlings veranstaltet das Hainfeld|Museum eine Buchpräsentation am Viktor-Adler-Platz. Ich möchte dort über die Idee zum Buch und die Entwicklung des Verantwortungsbegriffes von Kant über Victor Adler bis heute sprechen. Außerdem möchte ich der Frage nachgehen: Warum braucht es aus der Sicht des Yoga moralische Prinzipien und Selbstfürsorge gleichermaßen, um gut durch einen Verantwortungsprozess zu kommen?

Es ist auch eine Einladung zur Diskussion und zum Beisammensein.

Zeit: SA, 21.5.2022, 19.00 Uhr
Ort: Viktor-Adler Platz, 3170 Hainfeld
Bei Schlechtwetter findet die Veranstaltung im Kultursaal der Stadtgemeinde Hainfeld statt.

Eine kurze Einführung:

Grundgedanke
Ereignisse wie Umweltkrisen, Pandemien und Krisen der Asylpolitik machen deutlich, dass wir eine gemeinsame moralische Basis brauchen, um Probleme in gegenseitigem Respekt und auf demokratische Weise zu diskutieren und zu bewältigen.

Meine Herangehensweise
Ich versuche eine Annäherung über die Auseinandersetzung mit den Yama- und Niyama-Prinzipien aus dem Yoga-Sutra. Erstere beschreiben Verhaltensweise in sozialen Begegnungen, zweitere einen heilsamen Weg der Selbstfürsorge und Erkenntnis.

In ein Verhältnis bringen: Yoga und soziale Verantwortung
Anlass des Schreibens war die Einladung zu einem Yogakongress mit dem Thema Yoga und soziale Verantwortung. Beim Einlesen in das Thema wurde mir klar: Es gibt nicht nur unterschiedliche Herangehensweise an den Begriff (z. B. in der Sozialpsychologie, der Philosophie oder der Soziologie), sondern unser Verständnis von Verantwortungsübernahme hat sich auch im Laufe der Geschichte geändert. Daher habe ich ein Kapitel über „Die Geschichte der sozialen Verantwortung“ geschrieben. Hainfeld als Veranstaltungsort des Einigungsparteitages 1889/89 unter der Leitfigur Victor Adler kommt selbstverständlich in dieser Zeitreise vor.

Sich gründen in Yama – mit eigenen Beispielen
Yamas sind Verhaltensempfehlungen im Umgang mit anderen und auf der ersten Stufe des Achtfachen Pfades in den Yoga-Sutren beschrieben. Sie sind somit die gründende Basis für alle weiteren Überlegungen. Das Buch ist eine Aufforderung zum Tieferdenken auf das Verbindende zwischen moralischen Grundwerten und hinspürender Selbsterfahrung. Daher beschreibe ich auch selbst erlebte Situationen. Nicht um als ein “moralisches Vorbild“ zu dienen, nein – bitte nicht!! Sondern ich möchte vielmehr zeigen, wie man, ganz im Kleinen und Persönlichen, trotz Zweifel und innerer Widerstände, Verhaltensmuster verändern kann. Yoga ist eine Erfahrungswissenschaft und Authentizität dabei ganz wichtig. Auch die Verantwortungsübernahme ist ein langsames in-die-Kraft-kommen, wenn sie als ein heilsamer Prozess und nicht als Totalüberforderung angelegt sein soll.

Niyamas – Selbstfürsorge für zukünftiges Engagement
Traditionell sind Niyamas eine Vorbereitung für den Weg in tiefe Versenkung und Erkenntnis. Aus der Sicht der Verantwortungsübernahme ist der hinspürende Zugang zur eigenen Befindlichkeit ebenfalls wichtig, sonst drohen Überforderung und Burnout. Gerade für ehrenamtliche Engagierte ist das Thema höchst bedeutsam. Ob ein Rückzug auf der Yogamatte, bei einem Waldspaziergang oder einem Konzertabend stattfindet, ist dabei nicht wirklich relevant. Wichtig ist, dass wir Ressoucen nutzen, die eine heilsame innere Gestimmtheit fördern – sonst werden wir zu hilflosen Helfer:innen.
Wer sich aber tatsächlich für meditative Praxis interessiert – im Kapitel über die Niyamas werden jedem Prinzip vier Stilleübungen zugeordnet. Auch in diesen zum Teil selbstreflexiven Übungen leuchtet das Thema Verantwortung immer wieder auf.

Das Thema Vertrauen – der roter Faden durch das Buch
Die Texte für das Buch entstanden großteils im Winter 2020/21, als sich Österreich mitten in einem Covid19-Lockdown befand. Es war merkbar, wie das Vertrauen in die politisch Handelnden, auch befeuert durch Zweifel in den Social-Media-Kanälen, schwand. Für Yogaübende ist spürbares Vertrauen, zu sich, aber auch zu den anderen, von zentraler Bedeutung.
Ich möchte mit diesem Buch für das Vertrauen als demokratiefördernde Basis plädieren sowie für einen achtsamen Umgang miteinander und auch mit den Informationen, die auf uns laufend einströmen. Die Covid19-Pandemie ist noch nicht vorbei und schon tauchen Meldungen über den Ukraine-Krieg auf, die unser Vertrauen in vielerlei Hinsicht erschüttern. Da werden z. B. Flüchtlinge gegeneinander ausgespielt, aber auch voreilige Urteile gefällt und Meinungen gepostet. Auch diese Krise empfiehlt einen achtsamen und hinterfragenden bzw. kritischen Medienkonsum.
Im Yoga nennt man einen heilsamen inneren Zustand Bhavana und die vier in den Sutren erwähnten Zustände sind Liebe/maitri, Mitgefühl/karuna, Mitfreude/mudita und Gleichmut/upeksha. Wir werden noch viel Vertrauen brauchen, um all das Unerklärbare und Verstörende auszuhalten.

Alles Liebe, Alexandra Eichenauer-Knoll

 

Yoga und soziale Verantwortung. Sich gründen im Außen und Innen mit Yama und Niyama, von Alexandra Eichenauer-Knoll, Windpferd Verlag, 2022
Broschiert 224 Seiten + 60 Minuten Audiodownload, Format: 13,7 x 21,5 cm, ISBN 978-3-86410-352-0

Erhältlich selbstverständlich bei Skribo/Frau Buch in Hainfeld ;).
Das E-book ist über den online-Handel erhältlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suchspiel zum Thema Arbeitskräftemangel – für Fortgeschrittene

Es gibt diese beliebten Suchspiele mit zwei fast gleichen Bildern aber dann doch leicht zu entdeckenden Unterschieden – dort fehlt eine Blume, da hat der Hund einen Knochen im Maul. Man kennt das.

Hier präsentiere ich Ihnen nun ein Suchspiel für Fortgeschrittene und vor allem politisch wache Menschen: Beide Bilder zeigen Presseberichte zum Thema Zuwanderung und es ist nicht wirklich schwer die Unterschiede zu erkennen.

1. Bild: Im NÖN-Artikel aus der KW 5 Seite 47 geht es um eine Zukunftsdiskussion im Rahmen des Landesstrategie-Prozesses, der von der NÖ-Landesregierung angestoßen wurde. Dazu wurde sogar eine große Haushaltsbefragung durchgeführt. Ich habe den Fragebogen als leidenschaftliche Demokratin selbstverständlich ausgefüllt und zurückgeschickt, Sie auch? Im Zuge der Entwicklung einer neuen Landesstrategie Niederösterreich 2030 werden aber auch Experte/innenrunden abgehalten. In dieser ging es um den sich verschärfenden Arbeitskräftemangel. 2030 wird jede/r vierte Niederösterreicher/in über 65 Jahre alt sein, ich übrigens dann leider auch. NÖN-Chefredakteur Daniel Lohninger zitiert in diesem Artikel Hikmet Ersek, CEO von Western Union, der als Experte geladen war: „Machen Sie aus jedem Migranten einen Patrioten. Jeder kann stolzer Österreicher und Europäer sein.“ Sein Artikel endet damit, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner versicherte, diese Denkanstöße mitzunehmen. Das Land setze ja auf langfristige Planung in diesem „einzigartigen Zukunftsprozess“.

2. Bild: Nun zum zweiten Bild bzw. NÖN-Artikel, gelesen eine Woche später, wir sind in KW 6 und auf Seite 25. Der Klammgruberhof bei Hainfeld wird wieder als Unterkunft für Asylwerber aktiviert und die Redakteurin Gila Wohlmann befragte dazu lokale Politiker. Würden wir die Ideen der letzten Woche aufnehmen, sollten wir diese Leute mit rot-weiß-roten Fahnen empfangen, ihnen einen Geschenkkorb mit typischen lokalen Produkten überreichen, zB mit Dirndlmarmelade, Apfelsaft und Waldhonig, und vielleicht noch ein Volkslied singen. Aber irgendwie ist diese Zukunftsstrategie noch nicht ganz hier in der Lokalpolitik angekommen. Lesen Sie selbst nach und entdecken Sie den Unterschied! Franz Witzmann vom Comedor del Arte signalisiert jedenfalls: „Wir werden natürlich wieder unterstützen.“ Wie immer: Franz, der Unverdrossene, dessen Strategie schon seit Jahren die des Mitgefühls und der aktiven Hilfsbereitschaft ist. Dabei denkt er gar nicht einmal bis 2030 vor, sondern ist ziemlich gut mit dem beschäftigt, was jetzt 2022 so ansteht….

Herzliche Grüße an alle, die gerne mitdenken und mitspielen sendet Alexandra Eichenauer-Knoll

Nachsatz:
Natürlich könnten wir einiges erzählen über nach Österreich geflüchtete Menschen, die hier Arbeit gefunden haben – als Ärzt/innen im Spital Lilienfeld, als Pfleger im NÖ-Landespflegeheim, als Arbeiter/innen in der Industrie oder Schwerarbeiter am Bau – und so den auch bei uns im Bezirk Lilienfeld bereits offensichtlichen Arbeitskräftemangel etwas entschärfen halfen. Wir könnten auch einiges über die Sinnlosigkeit erzählen, diese Menschen oft jahrelang vom Arbeitsleben fernzuhalten anstatt sie professionell und rasch zu integrieren. Vielleicht gibt es ja bald ein Umdenken. Es wäre wünschenswert – denken Sie an 2030!

 

 

Weihnachten im Comedor del Arte

Während der Schulzeit wird im Comedor del Arte von Montag bis Freitag am Nachmittag Lernbegleitung und Hilfe bei Hausübungen angeboten. Das Angebot wird sehr gut angenommen und es wird täglich von rund zehn Kindern genutzt. Es kommen SchülerInnen von der Vorschulklasse, Volksschule, NMS und Polytechnikum, wenn  bei Aufgaben Fragen auftauchen und sie Unterstützung benötigen.

In der Adventzeit konnte man die Aufregung und Vorfreude bei den Kindern sehr gut beobachten. Immer wieder ist die Frage gekommen, wie lange es noch dauert, bis die Ferien da sind, die Kinder haben Gedichte aufgesagt und Weihnachtslieder gesungen. Am Montag in der letzten Schulwoche habe ich den Kindern mitgeteilt, dass am Mittwoch Nachmittag der Weihnachtsmann auch in den Comedor del Arte kommen wird.

Mohammed, der in die zweite Klasse geht, war sofort sehr motiviert und hat mir gesagt, was wir alles machen müssen, damit es schöner wird. Er hat mir auch ganz ernsthaft erklärt, dass er und sein Bruder Idris, welcher in die erste Klasse geht, den Comedor putzen werden. Ich hatte ihm zugehört und gesagt, dass dies eine gute Idee sei. Dann habe ich mich wieder anderen Kindern gewidmet, die Fragen hatten. Nach einiger Zeit haben mich die Kinder aufmerksam gemacht: „Schau, was Mohammed macht!“ Mohammed war gerade dabei, die Bücher, die irgendwie herumkugelten, ordentlich ins Regal einzuschlichten.

Am nächsten Tag ist mir aufgefallen, dass Idris schon längere Zeit in der Küche verschwunden und ganz ruhig war. Als ich Nachschau hielt, konnte ich sehen, dass er gerade beim Geschirrwaschen war. „Morgen kommt der Weihnachtsmann, ich muss alles saubermachen!“ Als ich nach einiger Zeit wieder einen Blick in die Küche warf, war Idris gerade dabei, die Küchenregale mit einem feuchten Tuch auszuwischen.

Am Mittwoch war dann Hochbetrieb im und vor dem Haus. Einige Kinder hatten Papierketten, Sterne und Engel gebastelt, die aufgehängt werden mussten. Die Tische und Sessel wurden anders arrangiert und alle paar Minuten ist eines der Kinder rausgelaufen, um zu sehen ob der Weihnachtsmann schon kommt. Nach zwei Stunden war es so weit. Der Weihnachtsmann und seine Frau waren eingetroffen und es wurden kleine Geschenke verteilt. Wir hatten mit 15 Kindern gerechnet und die entsprechende Anzahl an Sackerln vorbereitet. Es waren aber letztendlich 18 Kinder, weil einige jüngere Geschwister und ein paar unerwartete Kinder gekommen waren. Wir konnten das Problem aber lösen und jedes Kind hat ein Geschenk bekommen.

Es war sehr berührend, wie die Kinder diesem Tag entgegenfieberten und welche Freude aus ihren Augen leuchtete, als sie mit Weihnachtsmann – und Frau sprechen konnten. Sogar einer der großen Buben aus der NMS, der noch gemeint hatte, er wird dem Weihnachtsmann seinen Bart runterreißen, hat seinen Namen genannt und sich über das Geschenk gefreut. Ein Mädchen hat Selina, die Weihnachtsfrau, mit verzauberten Blick angesehen und gefragt: „Bist du eine Elfe?“

Es war eine gelungene Weihnachtsfeier und ein schöner Abschied vor den Ferien. Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Ernsthaftigkeit Mohammed und Idris den Comedor del Arte geputzt und gestaltet haben. Es hat gezeigt, wie sehr die Kinder mit uns und mit den Räumlichkeiten verbunden sind und dass sie von sich aus Verantwortung übernehmen und Ideen umsetzen.

Danke an Weihnachtsfrau Selina und Weihnachtsmann Max für ihren Besuch!
Danke an Alexandra und Renate für die Geschenke!

Alles Liebe, Franz Witzmann

 

Vernetzung ist wichtig, manchmal sogar überlebensnotwendig

Ein Gespräch mit Franz Witzmann, die Fragen stellte Alexandra Eichenauer-Knoll

Lieber Franz, heute ist der 7. November 2021 und wir möchten ein Gespräch darüber führen, wie es im Comedor derzeit läuft, vor allem, welche Auswirkungen die Übernahme der Taliban auf die Menschen hier in Hainfeld hat. Außerdem möchten wir über deine Vernetzungsaktivitäten sprechen. Zum Einstieg, wie geht es im Comedor del Arte bei der Arbeit?
Franz: Im Comedor wird wieder fünf Tage die Woche Hilfe bei Hausübungen angeboten, drei Stunden am Nachmittag, meist für zehn Kinder und mehr. Schön ist, dass im September noch die Veronika dazugekommen ist. Sie stand eines Tages vor der Tür, weil sie es in der Zeitung gelesen hatte. Sie blieb dann gleich drei Stunden da und mittlerweile kommt sie 1 – 2 Mal die Woche vorbei. Sie ist ein herzlicher Mensch, strahlt große Ruhe aus, die Kinder lieben sie. Sie hat einen lieben Kuschelhund, der gerne von den Kindern gestreichelt wird. Auch die Renate kommt weiterhin zweimal pro Woche und unterstützt mich. Sie ist eine gute Freundin geworden.

Unlängst hat dich Renate, zusammen mit Mohammad und Ainullah, ins Burgenland begleitet. Wohin ging es da?
Am 31.10. fuhren wir zu der Matinée „Mut zur Menschlichkeit“, organisiert von Courage (https://www.courage.jetzt/). Es war in Andau an der ungarischen Grenze, ein geschichtsträchtiger Ort, wo auch 1956 Großes geleistet wurde, und auch 2015 war dieser Ort in der Flüchtlingshilfe sehr aktiv. Das Motto war für mich: 2015 darf sich nicht wiederholen. (siehe Foto unten)

Warum soll sich 2015 nicht wiederholen, da war doch die Zivilgesellschaft sehr aktiv?
Ja. Aber was sich nicht wiederholen soll, ist die Unfähigkeit oder der Unwillen der Regierenden und der Verantwortlichen, die das erst notwendig gemacht haben, dass die Zivilgesellschaft aktiv wird, damit die Menschen die grundlegendste Hilfe bekommen. Diese Veranstaltung war sehr berührend, es wurden Preise an couragierte Menschen vergeben, u. a. an Andreas Babler, den Bürgermeister von Traiskirchen, an Doro Blancke, die schon über ein Jahr lang mit ihrer Organisation in Griechenland Hilfe leistet, auch SOS-Balkanroute hat diesen Preis verliehen bekommen. Es sind Menschen, die helfen, wenn Leute an den Grenzen zurückgeprügelt werden, die ihnen wenigstens etwas Hilfe und Menschenwürde angedeihen lassen. Es war sehr berührend, mit diesen engagierten Menschen in einem Raum zu sein. Solche Veranstaltungen sind für mich schon sehr motivierend, man hat das Gefühl nicht alleine zu sein, es gibt Kraft für die täglichen Herausforderungen. Durch die Vernetzung, die durch die letzten sechs Jahre sehr intensiv geworden ist, von Asylkoordination bis SOS-Balkanroute, bin ich mit vielen schon in persönlichem Kontakt gewesen, man kann sich gegenseitig auch helfen, das hat sich jetzt auch in Afghanistan bewährt. Ich konnte über einen solchen Vernetzungskontakt, in diesem Fall die „Grenzenlose Hilfe Kremsmünster“ (https://www.grenzenlosehilfe-kremsmünster.at/), sogar einen Arzt für den in Kabul lebenden Bruder einer in Hainfeld lebenden Frau organisieren.

Ein zweites Vernetzungstreffen am 27.11. findet in Wien statt, organisiert von Menschen.Würde.Österreich. Da wirst du auch wieder hingehen. Es wird dort vor allem um Afghanistan gehen.
Ja, wir waren bisher bei fast allen Veranstaltungen von Menschen.Würde.Österreich (https://www.mwoe.at/) dabei, da kommen kompetente Leute aus verschiedensten Bereichen, man kann immer wieder etwas Neues erfahren. Gegen die Ohnmacht, die einen so oft überfällt bei den grausamen Dingen, die auf diesem Planeten passieren, hilft nur aktives, zielgerichtetes Tun.
Zurückkommend auf die Situation in Afghanistan. Ende August haben die Taliban die Macht übernommen, das hat verschiedene Auswirkungen. Auf der einen Seite wurden Leute aus der Schubhaft freigelassen. Deportationen sind nicht möglich, auch nicht von Österreich aus, und die Menschen, die noch ausständige Bescheide hatten, bekommen zumindest derzeit subsidiären Schutz. Das ist ein Vorteil für die Menschen, die hier noch auf Entscheidungen warten. Das andere ist: Alle, die dort noch Familie haben und etwas älter sind, also noch die erste Talibanherrschaft bis 2000 miterlebt haben, werden jetzt retraumatisiert und bangen um ihre Familien, überhaupt, wenn sie Hazara sind. Es ist lähmend, sie sind in Sicherheit, aber ihre Familie kann sich nur mehr verstecken. Wir haben einen Fall, wo die Schwestern studiert haben und sich jetzt nur verstecken können. Die Menschen leiden hier mit. Jetzt kommen Geschichten, zB von jemanden, der als Kind erlebt hat, wie Kinder von den Taliban geschlagen wurden, wie auf der Straße ermordete Menschen lagen oder auf der Kreuzung ein Erhängter eine Woche lang hing und es nach Verwesung roch. Die Menschen hier sehen so deutlich, was ihre Angehörigen und Freunde jetzt erleben.

Gibt es überhaupt einen hoffnungsvollen Ausblick? Schritt für Schritt weitertun?
Ich habe auf jeden Fall einen hoffnungsvollen Ausblick. Solange man aktiv sein und etwas tun kann, irgendwo helfen. Gestern rief mich ein Mädchen an, sie verstand die Fragen für die Schule nicht, wir sind das durchgegangen. Die ganze Woche kommen Kinder und ich kann sie beim Lernen unterstützen. Und ich kann auch, solange ich Kraft haben, den Menschen Kraft geben. Das Wichtigste ist weiterzuleben und zu schauen, ob man etwas für die Familie machen kann, dass sie irgendwo Asyl bekommen. Gesamtpolitisch ist es aber schrecklich, dass es in Ländern wie Afghanistan und Syrien so gewaltsam und mörderisch ist. In Afghanistan wird die Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, auf ein paar Quadratmeter in der Wohnung reduziert, sie dürfen nicht leben.

Es ist eine Grenzwanderung, auf der einen Seite informiert zu bleiben, andererseits eine Distanz zu halten, damit einen das nicht auffrisst. Ich halte mich an dem fest: Ich kann nicht für die ganze Welt etwas machen, aber da, wo ich bin, kann ich etwas tun. Ich bin mit vielen Menschen verbunden, die verteilt sind und mich auf dem Laufenden halten. Es ist immer wieder sehr berührend, wenn Leute uns noch immer sehr verbunden sind, die zB vor fünf Jahren in Hainfeld gewesen sind. Viele bedanken sich auch, weil ich den Kindern helfe. Viele nehmen Anteil daran. Das sind die Dinge, die auch Kraft geben und Motivation dafür weiterzutun.

Danke für das Gespräch!

31.10. Matinée „Mut zur Menschlichkeit“, v. l. Mohammad Ahmadi, Franz Witzmann, Renate Höfler und Ainullah Islami