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Glück oder Pech?

Der Verein „Wir Hainfelder“ veranstaltet jedes Jahr im Juni eine Lange Einkaufsnacht. Zahlreiche Attraktionen und Aktionen, Musik und Essen auf der Straße locken viele Menschen in die Stadt. Wir haben die Gelegenheit genutzt, unsere Taschen aus der Comedor-Nähstube zu präsentieren. Freundlicherweise konnten wir einen Ständer vor dem Nähcafe von Elisabeth Hasler aufstellen. Leonida Morar, die bei Cornelia Fuchs in der Nähstube nähen gelernt und inzwischen schon zehn Taschen selbst angefertigt hatte, half Franz beim Aufbau und war auch immer wieder anwesend, sofern sie nicht in der Volksschule beim Musical auftreten musste oder gerade in der Stadt herumflanierte. Man sieht sie auf dem Foto neben dem Ständer und Elisabeth Hasler, etwas schwarz im Gesicht von den Resten ihrer Fledermausschminke.

Elisabeth Hasler hatte auch das Strudlgewinnspiel mitorganisiert, das neben ihrem Geschäft verkauft wurde. In jedem Stück Strudel steckte ein Zahnstocher mit einem kleinen Zettel, der entweder einen vertröstenden Spruch zum Thema Glück oder ein Gewinn enthielt. Ich habe vor dem Nachhausegehen noch sechs Strudel gekauft. Mit den Losen wollte ich am darauf folgenden Samstag den ABC-Kurs im Comedor gestalten.

Und so kams. Nachdem wir ein wenig gelesen hatten, verteilte ich die Lose. Die erste war Raziyeh. Sie las vor und gab dann den Zettel weiter, damit alle anderen auch den Text lesen konnten. Danach erklärte ich den Inhalt und schrieb Wörter für das Vokalheft auf. Es ist mir jetzt sehr wichtig, dass die Schüler/innen ein Vokabelheft verwenden und auch dessen Sinn verstehen. Und so ging es reihum, jeder las den Zettel und wir besprachen dann den Inhalt.

Es war – wie nicht anders zu erwarten – eine lustige Stunde. Und ich hoffe, alle haben verstanden, was die Wörter Glück und Pech zu bedeuten haben. Raziyeh, die als erste vorgelesen hatte, wurde mit dem Satz: „Der Weg zum Glück ist der nächste Versuch” vertröstet. Nicht leicht zu verstehen. Aber sehr bedeutsam für jemanden, der darauf hofft, in Österreich Asyl zu bekommen und schon einmal abgelehnt worden ist. Die nächsten beiden Schüler hatten Glück. Nasibe zog einen Gutschein für Haargenau Angi, den Frisörladen und Asadullah darf sich bei Maler Meier ein Geschenk abholen. Ali, den ich an diesem Tag erst kennengelernt hatte, ein charismatischer, junger Mann, las jenen Satz vor, mit dem wir uns alle gerne vertrösten: „Pech im Spiel, Glück in der Liebe“. Ich denke, er hat sich darüber gefreut. Isamel hatte wieder das Glück, einen Sofortgewinn in Hainfeld zu bekommen. Er darf sich im Autohaus Grabner etwas abholen. Ich witzelte und meinte, ein Auto werde es wohl nicht sein. Er lachte. Der Letzte, der ein Los bekommen hatte, war Mohammad und auch er hatte Glück und bekam einen Gutschein für das “Wiazhaus“, ein schönes Gasthaus mit angeschlossener Greisslerei etwas außerhalb von Hainfeld. Also in Summe keine schlechte Ausbeute aus meinem Strudlankauf und eine gute Gelegenheit, etwas Abwechslung in den Unterricht zu bringen.

Da Mohammad nicht wusste, wo das ”Wiazhaus“ lag, bin ich dann hingefahren und habe ihm den Gewinn, ein Glas Marmelade und ein Glas Honig, abgeholt und in sein Quartier gebracht. Er wohnt relativ abgelegen mit seiner Familie. Während des Besuchs zeigte mir seine jüngere Schwester Pawana einige Basteleien aus Papier, die sie selbst erfunden hatte. Ich staunte über einen kompliziert gesteckten Fisch und ein Blumensträußchen. Sehr hübsch und sehr geschickt gemacht. Ich dachte bei mir, wir sollten wieder mehr basteln, es gibt so viele talentierte Kinder im Umfeld des Comedors del Arte.

Und so kommt fließend eins ins andere, der Ständer vor dem Geschäft mit unseren Taschen, daneben die Strudel mit den bunten Losen, am nächsten Tag der ABC-Kurs und dann der Besuch bei der Familie von Mohammad. Die Arbeit für den Comedor del Arte gestaltet sich oft so, es ergibt sich vieles wie von selbst, man muss nur dem folgen, das sich als nächstes auftut, einfach tun.

Einen schönen Sommer wünscht Alexandra Eichenauer-Knoll