Mario Schagerl ist Gitarrist und Lehrer an der Musikschule Hainfeld. Seit Dezember 2016 unterrichtet der 27jährige Künstler ehrenamtlich Donnerstag von 14.00 – 15.30 Uhr im Comedor del Arte. Alexandra Eichenauer-Knoll traf sich mit ihm vor dem Gitarreunterricht, um ihn nach seinen Erfahrungen und Eindrücken zu befragen.
Lieber Mario, wie war dein Eindruck von der ersten Stunde? Kannst du dich noch erinnern?
Mario Schagerl: Am Anfang war es ein bisschen chaotisch, da war ein Kommen und Gehen, mal hat der gespielt, dann der… Das hat es schwer gemacht, ein Konzept durchzubringen. Aber es war lustig, es war sehr lebendig. Am Anfang waren 8 bis 9 Leute da mit unterschiedlichen Niveaus und Alter – vom Kindergarten- bis zum Erwachsenenalter.
Du bist also offensichtlich chaosresistent. Wie hat es sich dann weiterentwickelt?
Mittlerweile hat sich eine kleine Gruppe herausgebildet, die jede Woche kommt. Das sind 2-4 Personen, Aref, Farhad, Ramazan und Mostaba. Das ist die Kerngruppe.
Wie spielt sich so eine Unterrichtseinheit ab?
Das kommt immer darauf an. Ich überlege mir Lieder, dann fangen wir meistens an mit Gitarre stimmen nach Gehör und Rythmusübungen. Das Augenmerk ist auf Begleitung und Akkordspiel und natürlich Spaß haben am gemeinsamen Musizieren.
Die Schüler haben alle eine Gitarre?
Es sind alles Leihinstrumente, die Franz großteils organisiert hat. Die Schüler, die regelmäßig kommen, haben alle eine Gitarre, mit der sie auch zu Hause üben können.
Machen deine Schüler Fortschritte?
Ja, sie machen sogar große Fortschritte. Sie haben natürlich auch viel Zeit zum Üben. Fahad ist sehr wissbegierig, fragt immer nach. Und Aref hat eine besonders schöne Stimme. Wenn sie zu zweit spielen und Aref singt Geschichten in seiner Muttersprache Farsi, dann klingt das schon total schön. Sie können dafür ja ein Akkordgerüst eines anderen Liedes verwenden. Eigentlich improvisieren sie und Aref erzählt spontan eine Geschichte. Das ist sehr schön zum Zuhören, auch wenn man es nicht versteht, es ist berührend. Darum geht es ja in der Musik. Musik ist eine eigene Sprache. Das hab ich auch in Amerika gesehen: auch wenn man sich nicht versteht, spielen kann man immer miteinander.
Welche Lieder spielt ihr?
Wir spielen quer durch, Knocking on heavens door z. B., die Red Hot Chili Peppers, also Großteils englische Sachen.
Der Gitarreunterricht wird also nicht zum Deutsch lernen verwendet?
Wir machen ihn ja auf Deutsch, aber im Unterricht geht es mehr um das Akkordgerüst des Liedes, weniger um den Text.
Wie funktioniert der Unterricht in Deutsch? Ist es leicht, sich verständlich zu machen?
Es ist schon herausfordernd, weil gewisse Wörter auch sehr speziell sind, das muss man dann mit Händen und Füßen rüberbringen. Das letzte Mal hab ich ihnen z. B. erklären wollen, wie man einzählt. Also dass man in dem Tempo einzählt, in dem dann das Stück gespielt wird. Da bin ich an meine Grenzen gestoßen. Sie sagen rasch ja, ja , verstehen es aber nicht. Auch einen Auftakt zu erklären ist nicht einfach. Das ist aber auch für Deutschsprachige nicht so logisch. Darum spielen wir einfach viel mehr nach Gefühl und weniger nach Noten.
Können die Schüler Noten lesen?
Alle vier Teilnehmer aus der jetzigen Kerngruppe konnten keine Noten lesen. Wir haben also die Grundanforderungen durchgemacht. Wobei Noten lesen für mich jetzt nicht unbedingt die Voraussetzung ist, um Musik zu machen. Es kommt ja auch darauf an, was man mit der Musik machen will.
Wir sind dir sehr dankbar für dein Engagement hier im Comedor und dass du so viel Zeit, Professionalität und Musikalität einbringst. Und deine Schüler lieben dich ohnehin. Wie stehst du zum Projekt Comedor del Arte generell?
Ich finde den Gedanken einfach super, dass es Menschen gibt wie Franz, einer der unendlich viel Zeit und Energie investiert und den Leuten sehr viel weiter hilft. Ich finde es toll, dass hier jeder willkommen ist. Das war ja am Anfang auch im Kurs so, da kamen Hainfelder und ganz normale Hauptschulkinder.
Interessant ist, dass vier junge Männer so konsequent dabei geblieben sind. Alle sind noch in der Warteschleife – im Asylverfahren.
Sie wissen es wahrscheinlich am meisten zu schätzen. Und sie haben auch die meiste Zeit, um zu üben. Man merkt, wie dankbar sie sind, wenn man sich mit ihnen beschäftigt.
Wie bist du eigentlich zum Gitarrespielen gekommen?
Das ist eine lustige Geschichte. Wir waren am Bauernhof meiner Oma und meine Cousine wollte Gitarre spielen lernen. Mein Vater zeigte ihr ein paar Griffe. Das hat mich so fasziniert, dass ich dann auch angefangen habe. Damals war ich schon in der zweiten Klasse Hauptschule. Das war also eigentlich ein Zufall, obwohl mein Vater ja ein Profimusiker ist und ich das Musikantenleben schon als Kind mitbekommen habe. Zu Weihnachten und zu den Familienfesten ist immer gesungen worden.
Zur Person: Mario Schagerl ist 1990 in Lilienfeld geboren und in St. Veit aufgewachsen. Er hat bei der Firma Neumann die Werkstoffprüferlehre absolviert. Nachdem er also etwas „Anständiges“ gelernt hatte, durfte er dann am Vienna Music Institut Instrumental- und Gesangspädagogik, sowie E-Gitarre auf Konzertfach studieren. Nach dem Abschluss im Jahre 2014 verbrachte er ein weiteres Studienjahr am Berklee College of Music in Boston. Heute unterrichtet er an der Musikschule Hainfeld Gitarre und macht bei verschiedenen Bandprojekten mit (Perfect Mood bietet Unterhaltungs- und Tanzmusik, ein weiteres Projekt hat sich auf Eigenkompositionen spezialisiert)
Fotos: Franz Witzmann