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Das Simorgh Theater-Österreich spielt in Hainfeld

Franz und ich kennen Mohammad Ahmadi, 29 und Hussein Rezai, 28 schon seit bald zwei Jahren. Franz hat Mohammad die Teilnahme an einem Filmworkshop von Sonja Wessel im Sommer 2016 vermittelt, danach folgte ein Auftritt bei unserem ersten Kulturfest. Damals lernten wir Mohammad als professionellen und liebenswerten Pantomimen kennen. Dem folgten weitere Auftritte bei verschiedenen Veranstaltungen (Kulturfest Terra Madre Amor in Mitterbach und Tuwas-Fest in Rohrbach: „Jäger“, Comedor-Kulturfest am 1.8.2017 in Hainfeld: „Bushaltestelle“). Alle Stücke hat Mohammad Ahmadi gemeinsam mit seinem besten Freund Hussein Rezai einstudiert.

Beide Männer stammen aus Afghanistan und haben in Herat studiert. Mohammad hat das Lehramt für Geografie und Geschichte studiert und Hussein Journalistik und PR. Beide verbindet die Leidenschaft für das Theater und ihre Arbeit für das Simorgh-Büro in Herat. Seit kurzem wohnen sie wieder zusammen und können nun intensiver proben.

Derzeit bereiten Mohammad Ahmadi und Hussein Rezai ein Stück vor, das im Rahmen des ATINÖ-Theaterfestivals in Hainfeld am 21. Oktober aufgeführt wird. Mich interessiert ihre Arbeit schon lange und daher besuchte ich sie, um Näheres zu erfahren. Ich sprach vor allem mit Hussein, der schon besser Deutsch kann.

Alexandra: Seit zwei Wochen wohnt ihr jetzt schon am Lebensgut Miteinander in Rohrbach an der Gölsen. Wie geht es euch hier?
Hussein: Hier ist ein guter Platz mit guten Menschen. Im Moment ist eine Familie aus Frankreich da, abends kochen und essen wir zusammen, wir spielen auch. Wir spielen ein französisches Spiel namens Momo und ein Kartenspiel mit 8 Würfeln. Da weiß ich den Namen nicht. Es ist sehr lustig. Viele Menschen sitzen und spielen, bis zu 8 Personen um einen Tisch.

Alexandra: Ihr bereitet euch derzeit intensiv auf das Theaterfestival am 21. Oktober vor. Wie heißt das Stück, an dem ihr probt?
Hussein: Ich bin ein Mensch. Das Stück handelt von einer Familie, deren Leben durch eine Bombe zerstört wird. Die Mutter bleibt am Leben und denkt zurück.

Alexandra: Ein sehr schwerer Stoff, wie werdet ihr das darstellen?
Hussein: Wir mischen klassische und moderne Elemente. In der ersten Sequenz wird alles mit Schattentheater und Musik dargestellt. In der zweiten Sequenz gibt es Pantomine und Dialog. Wir sprechen Deutsch und Dari. In der dritten Sequenz ist die Frau alleine und singt.

Alexandra: Wer wird mitspielen?
Hussein: Es spielen fünf Personen mit, und eine Person ist im Hintergrund und hilft beim Umziehen und bei Licht, Sound und Vorhang. Die Personen auf der Bühne sind Mohammad und ich, Ali, seine Frau Razieh aus Hainfeld und Omulbenin, ein Mädchen im Volksschulalter, die mit ihren Eltern in Rainfeld wohnt. Sie spricht am besten Deutsch und wird einen Text lesen. Wir proben im Comedor del Arte. Ich danke Franz Witzmann dafür, dass er den Comedor gemacht hat. Da kann man hingehen und sprechen, Tee trinken und spielen.

Alexandra: Wer hat das Stück geschrieben?
Hussein: Ich habe das Stück geschrieben. Ich schreibe ca. seit 2010, vier Stücke habe ich in Afghanistan geschrieben, drei in Österreich mit diesem jetzt. Mohammad macht die Regie.

Alexandra: Was ist dir wichtig bei der Regiearbeit?
Hussein spricht für Mohammad: Er liebt die Regiearbeit. In Afghanistan hat er immer versucht, mit seiner Arbeit die Probleme in der Gemeinschaft aufzuzeigen, z. B. wenn in einem Spital schlecht gearbeitet worden ist. Er hat sich mit unfairer Behandlung der Frauen oder mit Ungerechtigkeiten gegen Frauen in den Familien beschäftigt. Mohammad hat mir das Thema gesagt und ich habe dann dazu ein Stück geschrieben.

Alexandra: Wo habt ihr in Afghanistan Theater gemacht?
Hussein: Wir haben für das SIMORGH-Film und Theaterbüro gearbeitet. Simorgh ist ein großer Vogel in der iranischen Kultur, der Menschen hilft. In diesem Büro haben 50 Personen gearbeitet. Eine Gruppe war für Kinder, eine für Erwachsene. Das Büro wurde von Abdul Haki Hamidi 2005 gegründet. Er ist ein berühmter Schrifsteller und Menschenrechtsaktivist. Die Leute sind zu uns in das Büro gekommen und haben das Theater angeschaut. Das Büro war auch auf verschiedene Festivals eingeladen, viermal in Indien, einmal in der Türkei, in Bangladesh und in Deutschland, dreimal in Schweden und auch in Amerika. Es gab auch Workshops amerikanischer Künstler bei uns in Herat. Auch Munira Hashimi, eine berühmte Regisseurin, hat mit dem Simorgh-Theater gearbeitet. Mohammad und ich haben in der Gruppe für Erwachsenentheater gespielt.

Alexandra: Gibt es das Büro noch?
Hussein: Nein, inzwischen ist das Büro geschlossen, Abdul Haki Hamidi ist nach Frankreich gegangen. Er hat zu viele Probleme bekommen, vor allem wegen der Arbeit mit und über die Frauen. Die Arbeit mit Ausländern und Frauen ist bei den Taliban verboten. Zuerst wurde in einer Moschee eine Fatwa gegen das Büro ausgesprochen. Dann kam ein Anruf mit einer Morddrohung und das dritte Mal haben Mohammad und ich einen Drohbrief bekommen. Vor allem wegen unsere Arbeit in einem Frauengefängnis. Darauf hat Abdul Haki Hamidi das Büro geschlossen. Wir beide waren also bis zum Schluss dabei.

Alexandra: Wo sind die anderen der Gruppe?
Hussein: Ein Teil ist nach Schweden gegangen, ein Teil nach Deutschland, in die Türkei, nach Indien und den Iran, Mohammad und ich sind in Österreich. Ein paar wenige sind in Afghanistan geblieben. Wir sind alle Hazara, eine Volksgruppe, die von den Taliban besonders verfolgt wird.

Alexandra: Seid ihr noch in Kontakt?
Hussein: Ja, wir sind teilweise noch in Kontakt.

Alexandra: Habt ihr Wünsche für die Zukunft?
Hussein: Ich möchte in Österreich leben. Ich möchte nicht in Angst leben. Ich möchte auf die Universität gehen und Kommunikation studieren. Außerdem möchte ich Theater spielen.
Mohammad: Ich möchte heiraten und eine Familie gründen. Und ich möchte Theater und Film machen.

Alexandra: Danke für das Gespräch! Ich wünsche euch beiden viel Erfolg!
Mohammad: Danke! Ich möchte auch allen danken, die uns hier in Österreich helfen, besonders Frau Roswitha aus Marchegg, sie hat mir besonders viel geholfen.

In der Fotogalerie sind ein paar Bühnenfotos der beiden Künstler.

 

Und hier gibt es Links zu Youtube-Videos des Simorgh-Theaters:

https://youtu.be/j9yHBN-yh5g

https://youtu.be/6knyy7fcmw54

https://youtu.be/iVUUpuir3NI

https://youtu.be/_RDtFxrf0X4

 

Nachtrag

Inzwischen ist der Auftritt vorbei, es ist alles gutgegangen, auch das Team von ATINÖ war total nett. Die Künstler und wir Betreuer wurden sogar vor Festivalbeginn zum Mittagessen eingeladen. Die Aufführung selbst war sehr berührend, für die österreichischen Zuschauer, aber auch für die zahlreichen afghanischen Freunde, die da waren. Ging es doch in dem Stück um die verzweifelte Lage der Hazara in Afghanistan. Interessant war für mich persönlich auch, wie wortgewaltig und stark Hussein die Figur eines Taliban verkörperte. Hussein spricht schon relativ gut Deutsch und trotzdem ist die fremde Sprache naturgemäß schwierig für ihn und er ringt immer wieder um Worte. Das lässt ihn dann leise und unsicher erscheinen. Umso aufregender ist es zu sehen, wie souverän er in der eigenen Muttersprache wirkt. Da kann er Sprachkraft und natürlich auch sein professionelles Können als Schauspieler wirklich ergreifend rüberbringen.

Auf dem Flipchart, das für Feedback im Gang aufgestellt war, wurden auch viele starke und mitfühlende Worte geschrieben. Alles in allem ein schöner Erfolg für die Künstler und für uns als Vermittelnde vom Comedor del Arte. Vielleicht ergibt sich ja noch die Möglichkeit, das Stück andernorts aufzuführen. Wir würden solche Gelegenheiten natürlich gerne wieder begleiten.