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Und ewig fließt der Jazz – ein Abschiedslied von Franz

Im Jahre 2005 reichte Franz einige Lieder beim Protestsongcontest ein. Die Texte stammten von ihm, die Musik von Freunden, u.a. von Christian Schaden, der in seinem Tonstudio die Lieder auch aufnahm und abmischte.

Jetzt, da Franz so plötzlich von uns gegangen ist, sandte mir Christian dieses Lied. Es ist wie ein Abschiedslied. Es spricht die Leichtigkeit an, nach der sich Franz sehnte, das Tröstliche des steten Wandels, die Illusion und seine Liebe zur Kunst, insbesondere zum Jazz: „… und ewig fließt der Jazz“.

Franz sprach aber auch seine Verzweiflung darüber an, sich nicht verstanden zu fühlen. „Doch was bleibt mir sonst, ihr ignoriert mich doch?“ Er wollte sich nicht mehr um die Meinung der anderen kümmern, das dauernde Be- und Verurteilen war ihm verhasst.

Franz ging seinen eigenen Weg, auf dem er gerade in den letzten zehn Jahren viele neue FreundInnen, MitstreiterInnen und UnterstützerInnen gefunden hatte. Und so konnte er, der sein Leben lang so mutig und kompromisslos der Wahrheit verpflichtet war, letzten Endes auch leichten Herzens Abschied nehmen.

Wie sagte er am Ende des Liedes: „Hab genug gesehen, werd jetzt gehen und gehen und gehen. Ciao, Baba, auf Wiedersehen!“

Servus Franz, wir haben Dich ganz lieb und wünschen Dir eine gute Reise!

Erste Kundgebung im Zeichen der Regenbogenflagge in Hainfeld

Unser Verein Herzverstand hatte am 16.6. um 16.00 Uhr zu einer Kundgebung am Victor Adler Platz eingeladen. Unter der Regenbogenfahne wollten wir im Pride-Monat Juni erstmals auch in Hainfeld ein Zeichen der Solidarität mit Angehörigen der LGBTQ+ Community setzen.

Etwas über 20 TeilnehmerInnen kamen zu dieser Veranstaltung. Das ist scheinbar nicht viel und ist es für Hainfeld aber doch. Sehr erfreulich ist, dass auch Vize-Bgm. Andreas Klos dazukam und Begrüßungsworte aussprach. Auch zwei Vertreterinnen der jüngeren Politikerinnengeneration Hainfelds waren anwesend: Lydia Pitterle und Romina Wais.

Renate Höfler, Vorstandsmitglied von Herzverstand, bezog sich in ihrer Rede auf den anlassgebenden Diebstahl der Regenbogenfahne aus dem Vereinslokal (vgl. NÖN-Bericht) und wies auf die Bedeutung von Meinungsvielfalt und Toleranz in einer Demokratie hin.

Als auswärtiger Gastredner sprachen Oskar Beneder, Obmann des Vereins St. Pride, über die aktuellen Anliegen der queeren Community und weiters Gundi Dick, Obfrau von #zusammenHaltNÖ. Sie wies auf die Bedeutung einer aufmerksamen Zivilgesellschaft zum Schutz von Minderheitenrechten hin.

Zum Schluss sprachen alle Anwesenden noch mehrmals laut und deutlich das gemeinsame Anliegen aus: „Schutz für alle!“

Standkundgebung unter der Regenbogenfahne

Am Freitag, dem 16. Juni um 16.00 Uhr, versammeln wir uns in einer offiziell angemeldeten Kundgebung, um Solidarität zu zeigen: mit den Angehörigen der LGBTQ+-Community*. Diese Aktion entspricht unserem Selbstverständnis als einem toleranten und weltoffenen Projekt.

Auch, wenn wir uns bislang vor allem für Menschen aus anderen Ländern und für Angehörige anderer Religionen eingesetzt haben, so schließt unser Selbstverständnis natürlich auch die Solidarität mit Menschen der LGBTQ+-Community mit ein.

Wir versammeln uns an jenem Ort, wo die Gemeinde Hainfeld im Pride-Monat Juni die Regenbogenfahne gehisst hat. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: der Victor Adler Platz in Hainfeld.

Wir stehen zu dieser Aktion umso bewusster, nachdem vor kurzem in unser Haus eingebrochen wurde und die Regenbogen-Fahne, die monatelang aus dem oberen Comedor del Arte-Fenster hing, gestohlen wurde. Diese sinnlose Tat hat uns bewusst gemacht, wie schwierig es doch für einige Mitmenschen ist, Anderssein anzuerkennen und zu respektieren. (vgl. NÖN-Bericht)

Wir möchten mit dieser Standkundgebung daher auch aufklären. Denn zu schweigen heißt gleichzeitig  jenen Recht geben, die hetzen. Es geht hier nicht um ein im Grunde wertloses Stück Stoff, sondern es geht um ein wichtiges Symbol einer offenen Gesellschaft. Uns diese Fahne zu stehlen, ist der erste Versuch, uns der sie symbolisierenden Rechte und Freiheiten, also der in der österreichischen Verfassung festgeschriebenen Grundrechte, zu berauben.

Wir haben viele Freunde und Freundinnen, die anders sind. Sei es, weil sie aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, weil sie andere Muttersprachen als Deutsch sprechen, weil sie anders aussehen, weil sie ihren Gott anders benennen oder weil sie eine andere sexuelle Orientierung leben. Wir bewerten das nicht, wir verurteilen das nicht. Wir sehen das Verbindenden und nicht das Trennende. Wir schätzen diese Vielfalt, weil sie uns bereichert und beschenkt.

Das konkrete Programm und die RednerInnenliste für den 16.6. sind derzeit noch in Ausarbeitung. Bereits sicher ist, dass wir auch eine Schweigeminute für die Opfer von Verfolgungen, damals wie heute, einplanen möchten.

*PS: Reinhard Jölli, gebürtiger Hainfelder, der schon lange in San Francisco lebt, hat mir noch geschrieben:

Als Ergänzung zur Uebersetzung …….bei uns wird jetzt üblicherweise noch ein „+“ Zeichen angehängt, im wesentlichen, um auch andere Leute oder Gruppen, die mit den Buchstaben LGBTQ noch nicht beschrieben sind, mit einzuschließen. Manchmal sieht man auch noch zusätzliche Buchstaben angehängt.
Hier ein Auszug aus einem Artikel der das beschreibt: „LGBTQ+ is often used as a succinct way to encapsulate the broad array of sexualities, genders, and experiences that exist within our community. For those unfamiliar with the initialism, LGBTQ+ stands for lesbian, gay, bisexual, transgender, and queer. The plus sign symbolizes the other innumerable identities included under the LGBTQ+ umbrella, like asexual and intersex.

Das Comedor del Arte – Fahrradprojekt

Wie sich wieder einmal Eins ins Andere fügte …

Ich gebe gemeinsam mit Uschi Berthold in der Unterbringung Klammgruberhof Lernbegleitung Deutsch für Menschen im Asylverfahren. Nach einem für die Menschen dort beschwerlichen Winter stieg mit den wärmeren Tagen auch der Wunsch nach selbstbestimmter Mobilität. Verständlich. Denn das Quartier liegt in der Einöde, acht Kilometer von Hainfeld entfernt, die Bustickets sind rar und müssen untereinander weitergereicht werden. Fahrräder würden da schon helfen.

Ich versprach also meinen SchülerInnen, mich um Fahrräder umzuschauen und begab mich im ersten Schritt auf die Gemeinde Hainfeld. Das Gemeindeamt fungiert schon seit längerem auch als Fundbüro. Gemeinsam mit der freundlichen, zuständigen Dame besichtigte ich den Keller des Rathauses. Dort lagern zahlreiche Fahrräder ohne BesitzerInnen. Allerdings wurde mir erklärt, dass diese Fahrräder zehn Jahre lang aufbewahrt werden müssen. Nach einem Jahr Lagerung dürfen sie verborgt werden, mit der Auflage, dass sie jederzeit wieder zurückgegeben werden können, falls sich der/die EigentümerIn meldet. Das konnte ich natürlich nicht versprechen. Nur die ältesten zwei Fahrräder konnte ich daher bedenkenlos mitnehmen. Und so schob ich diese, schon sehr patschert bereiften, Räder in unser Begegnungshaus Comeder del Arte.

Franz war darüber nicht begeistert. Was sollen wir mit diesen kaputten Rädern, die könne man gleich zum Müll bringen, meinte er sinngemäß. Da wir kein Auto zur Fahrradmontage oder einen Anhänger haben, fühlte ich mich schuldbewusst. Wie bringe ich das Klumpert jetzt wieder weg? Warum hatte ich die Räder überhaupt mitgenommen?

Da kam Salaad Maxamad, ein im Klammgruberhof wohnender, gebürtiger Somalier vorbei und ich zeigte ihm die Fahrräder. Und welche Überraschung: Er war begeistert! Die Reifen seien doch wie neu, meinte er in seinem, für mich sehr schwer verständlichen, Somali-Englisch. In diesem Moment wurde mir der große Unterschied zwischen uns verwöhnten EuropäerInnen und einem Menschen wie Salaad bewusst. Was wir wegwerfen, ist für ihn beinahe neuwertig! Motiviert ging ich also mit dem jungen Mann ins Kaufhaus Eichberger und kaufte ein Fahrrad-Reparaturset sowie alles, was er in diesem Moment noch gut brauchen konnte: Klebeband, Ölspray, Fahrradschloss und ein LED-Licht. Wenn schon, denn schon! Eine Fahrradpumpe fand sich im Comedor del Arte, die händigten wir ihm auch aus.

Im Handumdrehen – oder besser im Radumdrehen – hatte Salaad beide Räder in der Comedor-Küche repariert. Eines nahm er für sich, eines wollte er seinem syrischen Freund Ibrahim geben. Ich kaufte ihm an diesem Tag noch einen Helm, damit er auch wirklich sicher unterwegs ist.

Seit diesem Tag ist Salaad mein Ansprechpartner für Räder. Irgendwann erzählte er mir, dass er in Somalia auch Autos gefahren sei – ohne Führerschein allerdings, und ­– für mich noch viel erstaunlicher – ohne Türen und ohne Bremse!

Ich erzählte die Geschichte herum und bekam infolge tatkräftige Unterstützung vonseiten der Hainfelder Schwestern Elfi und Elisabeth Hasler, die noch zwei Räder sowie zwei Helme spendeten. (Elfi ist Obfrau des Vereins „Wir Hainfelder“ und Elisabeth ist seit der letzten Generalversammlung die zweite Rechnungsprüferin unseres Vereins.) Ein Kinderfahrrad stiftete ein anderer Freund. Salaad war also gut beschäftigt! Über die Freude eines ukrainischen Kindes, dem er das Kinderrad reparierte, erzählt er gerne. Es tut ihm sichtlich gut, etwas Sinnvolles zu tun und andere, kraft seines handwerklichen Geschicks, beschenken zu können. Inzwischen schaut er sich am St. Pöltner Flohmarkt nach Ersatzteilen um.

Ich habe nun im Deutschkurs eine Liste von Fahrrad-InteressentInnen aufgelegt und bin derzeit auf der Suche nach weiteren sieben Rädern. Schau ma mal…  Es ist ja auch ein Kommen und Gehen im Quartier. Ich weiß also nie, ob jemand in der nächsten Woche noch am Kurs teilnimmt oder schon fortgezogen ist. Trotzdem macht es Sinn, weiter nach Fahrrädern zu suchen.

Der Verein „Wir Hainfelder“ stellte uns inzwischen zum Ankauf gebrauchter Räder ein Budget von max. € 500,- zur Verfügung. Das Geld stammt aus dem Sozialprojekt des Weihnachtsteams. Danke vielmals!

Wenn auch Sie uns ein Fahrrad schenken wollen oder eines sehr günstig (max. € 50,-) abzugeben haben, dann melden Sie sich bitte. Helme, Warnwesten, Fahrradschlösser und LED-Lichter sich ebenfalls sehr willkommen!

Rufen sie mich an unter: 0664 / 1026798

Herzlichst, Alexandra Eichenauer-Knoll

 

 

 

Wir schließen das Haus, aber nicht unser Herz.

„Wenn eine Türe zugeht, geht meistens eine andere auf.“ Im Vertrauen auf diese Volksweisheit schließen wir mit Ende Juni 2023 unser Haus in der Bahnstraße 1/G3 in Hainfeld.

Gleich vorweg: Der Verein Herzverstand wird weiterhin aktiv bleiben, ebenso wie sein wunderbarer Vorstand. Wir sind also nach wie vor unverdrossen motiviert, Menschen zu helfen und uns für einen guten Zusammenhalt  in der Gesellschaft einzusetzen.

Franz Witzmann, unser Projektleiter, ist wie immer telefonisch und per E-Mail  zu erreichen. Und wir alle sind weiterhin gerne mit Rat und Tat im Rahmen unserer Möglichkeiten behilflich.

Für unser Angebot an Hausaufgabenbegleitung und für die Deutschlerngruppen suchen wir nun einen neuen und kostengünstigeren Raum. Wir sind zuversichtlich, dass wir  ab Herbst eine gute Lösung anbieten können.

Wir sind sehr dankbar für die beinahe acht Jahre, die wir in der Bahnstraße verbringen durften und für alle UnterstützerInnen, die uns bei den Kosten, vor allem für die Miete, geholfen haben.

 

Die spürst du nicht – eine Buchempfehlung

„Wer einen gut geschriebenen Roman lesen will, der durch die schiere Kraft der Idee, die dahinter steht, vorangetrieben wird, wird von Glattauer gut bedient. Wer als Leser, Leserin aber nachspüren will, was der Tod des Mädchens Aayna bei denen, die ihn erleben, verantworten, ertragen müssen, auslöst; oder wer annähernd spüren will, was Flucht in eine Gesellschaft bedeutet, die letztlich herzlich desinteressiert ist an den Opfern, die sie produziert, wird das Buch mit einem Gefühl der inneren Leere zuschlagen.“

Aus Cathrin Kahlweit: Daniel Glattauer „Die spürst du nicht“: Ende gut, gar nichts gut
Süddeutsche online 24.3.2023

Ich habe in der Süddeutschen-online eine Kritik des neuen Buches von Daniel Glattauer gelesen. Die oben zitierte Textstelle ermunterte mich, Widerspruch zu formulieren.

Cathrin Kahlweit meint in ihrer SZ-Buchrezension, dass jene, die zum Fluchthema ernsthaft hinspüren möchten „mit dem Gefühl einer inneren Leere“ zurückbleiben. Innere Leere? Der Ausdruck hat mich elektrisiert, weil ich nach der Lektüre von „Die spürst du nicht“ so voller Emotion war, also ganz das Gegenteil eines Gefühls von innerer Leere verspürte. Aber vielleicht hat der Autor bei mir einfach etwas geöffnet, alleine durch „die schiere Kraft der Idee, die dahinter steht“ (siehe Zitat oben). Ich meine also, es war für mich gar nicht nötig, die einzelnen Figuren und ihre Emotionen so genau auszuformulieren. Und ich frage mich, ob dieser Anspruch nicht überhaupt zu hoch gegriffen ist?

Obwohl ja, ich gebe es zu. Als ich das Buch am Ladentisch sah, hatte ich meine Vorbehalte. Ich war auch ein großer Fan von „Gut gegen Nordwind“ gewesen und von den Nachfolgewerken etwas enttäuscht. Und überhaupt, die werbenden Keywords für das Buch ließen mich zweifeln. Bobofamilie trifft auf somalische Flüchtlinge. Ich kann damit nicht soviel anfangen. Ich kenne so viele Menschen in der Helfer:innenzene für geflüchtete Menschen, die so gar keine Bobos sind. Und überhaupt, diese dauernden Schubladisierungen nerven einfach. Da wir aber seit 2016 ein Haus in Hainfeld betreiben, wo sich „Hiesige und Zuagroaste“ treffen können und ich überdies in einem Flüchlingsquartier in der Nähe Deutsch unterrichte, dachte ich mir, das Buch ist für mich quasi eine Pflichtlektüre, also nimm es zur Hand!

Meine Skepsis schlug schon nach wenigen Seiten in Begeisterung um. Es brauchte nur einen Samstagabend und ein längeres Sonntagsfrühstück, bis ich bei den letzten Seiten angelangt war. Der spannende abschließende Dreh, dass zum Schluss die Geschichte der somalischen Familie erzählt wird, und zwar nicht nur den Protagonist:innen des Romans, sondern auch den Leser:innen, also mir, begeisterte mich. Das flotte Buch eines Erfolgsautors als ein Forum für ein Thema nützen, um das sich alle herumdrücken – Politiker:innen, aber auch Menschen, die man persönlich kennt. Und sicher nicht nur Bobos …

Ich habe das Buch zugeschlagen und begann sofort zu recherchieren. Über den Autor und dass er selbst somalische Jugendliche begleitet habe, und vor allem über Somalia selbst. Warum suche ich regelmäßig nach Nachrichten über die Ukraine, Afghanistan oder den Iran, ja sogar über Venezuela, denn auch aus Venezuela flüchten Menschen nach Österreich, warum aber noch nie über Somalia? Ich hatte etwas übersehen, und es war nicht nur ein Thema, sondern vor allem eine Gruppe Mitmenschen.

Das nächste Mal im Deutschkurs spürte ich, wie ich dem jungen Mann aus Somalia etwas näher war also sonst. Ein junger Mann mit einem hübschen Lockenkopf, der zwar etwas Englisch spricht, aber trotzdem so offensichtlich verloren und unglücklich wirkt. Ich war mütterlicher, liebevoller als davor. Es war, als hätte sich bei mir eine innere Blockade gelöst. Geschuldet war dieser Wandel meiner Wochenendlektüre.

Der Vorwurf der Leere

Noch ein paar Gedanken zum Vorwurf der Leere, den Cathrin Kahlweit in der SZ aufwirft. Ja, geht es nicht gerade um diese Leere? Ich finde nicht, dass die vom Autor eingebauten Kommentare aus Internetforen und Pressemitteilungen ablenken und nichts bringen. Im Gegenteil – so ist doch unsere Welt. Das ist ja das, was kaum auszuhalten ist. Wobei die Kommentare, die Daniel Glattauer erfindet, noch relativ erträglich sind gegen das, was das Netz in Wirklichkeit hergibt. Ist das Problem nicht gerade die Tatsache, dass dauernd Leute kommentieren, die nichts spüren, die leer sind, weil ihnen die Erfahrung, der direkte Kontakt zu den Geflüchteten fehlt? Sie reden über sie, aber nicht mit ihnen. Trotzdem lesen wir diese Äußerungen, diese hingepatzten Meinungen, als würden sie uns doch einen Strohhalm zum besseren Weltverständnis liefern können.

Aber auch helfende Menschen sind jenen, denen sie helfen möchten, nicht zwingend nah, die gute Absicht kann die Leere nicht immer auffüllen. Da wechseln sich Momente voll von Dankbarkeit mit Augenblicken, die Missverständnisse und Angestrengtheit signalisieren. Wir suchen nach Wörtern, die wir uns mühsam im Deutschkurs gemeinsam erarbeiten, um Brücken zu bauen – über die große Leere, die uns trennt. Scheinbar, weil wir unterschiedlichen Sprachen sprechen, aber auch weil unsere Geschichten und Emotionen einfach zu kompliziert sind.

Und was ist mit der Leere durch tragische Traumatisierungen bei den Betroffenen selbst? Erlebnisse, die verdrängt werden, weil man sonst einfach nicht weiterleben kann? Sich nicht zu spüren, was bedeutet das für Menschen mit einer Fluchtbiographie? Was bedeutet es zB für Ukrainerinnen, die hier bei uns versuchen ein normales Leben zu führen und mich tapfer anlächeln – was spüren sie in diesem Wahnsinn? Besser leer als zu viel Emotion? Manchmal ist das schlicht der einzige Weg durchzuhalten. Auch für mich.

Der Begriff Gutmensch

Cathrin Calweit schreibt in der SZ; „…. ; bisweilen scheint es fast, als wollte er die Sentenz von den „Gutmenschen“ in ihrer ganzen Plattheit beweisen.“ Ehrlich, ich kann den Begriff Gutmenschen schon nicht mehr hören bzw. lesen, er hat etwas schleichend Abwertendes in sich, ist irgendwie toxisch. Für mich sind die Figuren auch nicht so platt, sie sind eher hilflos. Ich finde es auch irreführend, gerade diese Figuren als Gutmenschen zu bezeichnen. Sie sind doch eher zufällig in die Sachen hineingestolpert, durch die Tochter, die ihre Freundin in den Urlaub mitnehmen wollte. Na gut, die Mutter beschreibt Daniel Glattauer als Grünpolitikerin in Wien. Aber es könnte genausogut einem FPÖ-Funktionär auf dem Land passieren, dass sich seine Tochter mit einem gleichaltrigen Mädchen aus zB Afghanistan anfreundet. Kinder sind bekanntlich Integrationsweltmeister:innen und scheren sich glücklicherweise nicht zwingend um die Parteizugehörigkeit ihrer Eltern. Und auch die Figur des seltsamen Anwalts aus Kärnten, dessen Ansichten anfangs eher als migrationsfeindlich beschrieben werden, der dann aber durch Zufall mit der somalischen Familie in Kontakt kommt und sich für diese einsetzt, erzählt ja genau davon. Vom Zufall, der einen Gutes tun lässt und nicht von der Kraft einer verinnerlichten moralischen Überzeugung.

Daniel Glattauer arbeitet das Thema und die Figuren flott ab. Trotzdem gelingt es ihm, eine große Frage in den Raum zu stellen: Was passiert, wenn wir uns darauf einlassen, Menschen mit einer Fluchtbiographie, die überdies noch aus einem uns fremden Kulturkreis stammen, zu begleiten? Was passiert also, wenn wir uns engagieren wollen? Ich finde, alleine diese Frage zu stellen, ist wichtig. Denn dass es nicht einfach ist, möchte uns der Autor gar nicht erst vorgaukeln. Das darauffolgende Drama ist für den Roman offensichtlich nützlich, macht die Situation verzwickt und den Text erst so richtig spannend.

Das Leben braucht solche Dramen hoffentlich in den meisten Fällen nicht. Was mir also ein wenig fehlt, ist zu erzählen, dass sich Engagement trotzdem lohnt. Diese Geschichte sollte nicht abschreckend wirken, sondern ganz im Gegenteil Neugier wecken. Trotz der Ratlosigkeit, trotz des Gefühls des immer wieder Getrenntseins, trotz der vielen Missverständnisse. Es lohnt jeder Versuch, mehr über die Geschichten der Menschen zu erfahren oder –  noch besser – mit ihnen in persönlichen Kontakt zu kommen. Um sie dann irgendwann vielleicht auch auf eine Woche Urlaub einzuladen. Mein Lebensgefährte und ich haben übrigens letzten Herbst einen jungen Mann aus Afghanistan auf eine Kurzreise nach Hamburg mitgenommen. Wir hatten viel Spaß zusammen. Ganz ohne Drama.

Daniel Glattauer nützt seine Popularität, um auf ein unpopuläres Thema hinzuweisen. Alleine dafür gebührt ihm in Zeiten wie diesen Respekt.

Ostermarkttage mit Herzverstand

Wie schon beim Weihnachtsmarkt übernimmt unser Verein auch beim Ostermarkt im Kultursaal Hainfeld die Kaffeehausbewirtschaftung. Letztes Jahr hat Franz mit Hossain noch die Rolle der Osterhasen übernommen. Eine liebe Erinnerung, die uns auch sehr traurig macht. Franz war ein wunderbarer Mensch und hat vor allem die Kinder so geliebt!

Trotzdem freuen wir uns, wieder bei diesem Markt dabei zu sein, gute Gespräche zu führen und mit Kaffee und Kuchen unsere BesucherInnen verwöhnen zu dürfen!

Oster- und Frühlingsmarkt 2024
im Kultursaal Hainfeld
Freitag, 15. März 2024, 09.00 – 18.00 Uhr
Samstag, 16. März 2023, 09.00 – 18.00 Uhr

 

Die Poldi der Woche

Die „Poldi der Woche“ ist eine Art Auszeichnung, die in der Kronen Zeitung NÖ wöchentlich für ehrenamtliches Engagement vergeben wird. Am 27.1.2023 wurde Alexandra die Poldi der Woche. Mit im Bild das Buch „Yoga und soziale Verantwortung“.

Alexandra: „Es blieb mir nicht viel Zeit beim Gespräch, um zu erklären, wieso ich mein Handeln im Yoga gründen kann, aber das Buch spricht hoffentlich für sich.“

Singkreis

Nächste Woche singen wir wieder!

Am 26. Jänner trafen wir uns das erste Mal zum gemeinsamen Singen im Comedor del Arte.  Es hat so viel Freude gemacht, dass wir weitermachen möchten. Inzwischen haben wir uns schon dreimal getroffen, einfache Kinderlieder in beiden Sprachen gesungen und auch das Kanonsingen probiert. So lernen wir ÖsterreicherInnen auch ein paar Wörter Ukrainisch…

Singkreis
Nächster Termin: Donnerstag, Termin noch nicht fixiert, 18.00 Uhr
Ort: Comedor del Arte, Bahnstraße 1/G3, Hainfeld
Leitung: Alexandra Eichenauer-Knoll

Literatur: einfache Lieder, Kanonsingen

Bei Interesse bitte melden bei Alexandra: 0664 /1026798
Ich nehme die Adresse dann in die Liste auf und informiere rechtzeitig über das nächste Treffen.

Diese Initiative entstand aus der Weihnachtsgeschichte, die Alexandra für unseren Blog Ende letzten Jahres geschrieben hat. Speziell angesprochen werden also Ukrainerinnen, die in Hainfeld leben und natürlich singfreudige Hiesige.

Diese Aufnahme entstand am 2. März im Comedor del Arte, es waren an diesem Abend fünf UkrainerInnen und vier Österreicherinnen anwesend und wir haben gemeinsam auch das berühmte Lied „Oi u luzi tschervona kalyna pokhylylasia“ gesungen, als Zeichen unserer Solidarität mit der Ukraine und ihren Menschen, die derzeit so viel erleiden müssen.

Dobryy vechir tobi. Eine Weihnachtsgeschichte aus Hainfeld.

Am Donnerstag vor dem Heiligen Abend organisierten Uschi Berthold und ich eine kleine Weihnachtsfeier für unsere Schüler:innen im Klammgruberhof. In diesem Quartier, acht Kilometer außerhalb von Hainfeld, sind derzeit Syrer und Ukrainer:innen untergebracht. Uschi Berthold, die Initiatorin der Neulengbacher Initiative Ankommen in Würde, kommt zweimal, ich einmal die Woche zu den Leuten. Die Lebens- und Lernumstände sind denkbar schwierig. Das Wichtigste ist, so denke ich, die Tatsache, dass wir überhaupt hinkommen und Zeit aufbringen – für persönliche, respektvolle Begegnungen auf Augenhöhe. Einfach da sein.

An diesem Nachmittag wollten wir vor allem miteinander eine gute Zeit verbringen und nichts Anstrengendes tun. Uschi brachte Kekse und Saft mit, ich einen Korb voller Obst. Außerdem hatte ich drei Lieder vorbereitet. „Leise rieselt der Schnee“ und „Still, still still“ standen auf meinem deutschsprachigen Programm. Vor allem das zweite konnte ich gut vermittelt. Ein Baby, das nicht schlafen will und dem wir gemeinsam sanft zuflüstern: Still, still still, und dann: Schlaf, schlaf, schlaf. Rührend wie die jungen Männer alle mitmachten. Das Singen übernahmen dann Uschi und ich.

Außerdem hatte ich ein ukrainisches Lied aufs Geratewohl vorbereitet, das ich in einem Heft für internationale Weihnachtslieder gefunden hatte: „Dobryy vechir tobi“. Da ein ukrainisches Paar bei unserer Feier mit am Tisch saß, probierte ich, es anzuleiten. Sie kannten es und sangen auch gleich mit. Doch das Zusammensingen wollte mir nicht so recht gelingen. Ich hatte zu Hause irrtümlich eine Oberstimme und nicht die bekannte Hauptstimme geübt. Aber zum Glück gibt es ja Youtube und Uschi hatte eine Lautsprecherbox mit! Damit ging es dann richtig gut und so sangen oder summten wir alle den Refrain mit: Raduysya! (Übers.: Jubiliert! Jubilate!)

Die Lautsprecherbox von Uschi erwies sich als ein echter Bringer, denn jede:r konnte seine/ihre Lieblingslieder am Handy suchen und dann den anderen vorspielen – und vor allem dazu tanzen! Wir hörten afghanischen Rap, kurdische und arabische Lieder, und dazwischen auch wieder mal ein alpenländisches Weihnachtslied.

Uschi und ich wurden dann gebeten, ein Tuch, das über das Flipchart gebreitet war, zu lüften. Darunter waren zwei Portraitzeichnungen versteckt, die Ammar, jetzt ein fleißiger Schüler in Hainfeld und ehemals Lehrer für bildende Kunst in Syrien, für uns angefertigt hatte. Wie schön, die Überraschung war ihm gelungen! Natürlich freute es mich auch, so jugendlich und mit so langen Haaren gezeichnet zu werden. 😉

Eine schöne Feier. Zwei Stunden, in denen sich die Probleme und Sorgen aller ausspannen konnten, denn wir alle waren ganz präsent, entweder selbst aktiv oder den anderen zuhörend.

Aber meine Geschichte geht noch weiter. Und jetzt wird es wirklich unglaublich!

Am Nachmittag vor dem Heiligen Abend kam ich zur Rotkreuz-Tafel in Hainfeld, um Gutscheine zu übergeben, die Elfi Hasler mit Familie und Freund:innen als Geschenk für die Tafel-Kund:innen organisiert hatte. Ich war ein paar Minuten früher dran und hörte aus einer Garage Leute singen. Beim Näherkommen glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen: „Dobryy vechir tobi…“

Die Frau, die dieses berühmte ukrainische Weihnachtslied mit einer klaren, starken Stimme sang, sprach leider kein Deutsch, aber ich konnte ihr meine Begeisterung trotzdem vermitteln. Sie wiederholte das Lied daher für mich und ich konnte tatsächlich, neben ihr stehend, in den Refrain einstimmen. Ist das nicht unglaublich?

Später kam eine sehr liebe ukrainische Bekannte, die eine Zeitlang an der Deutschlerngruppe im Comedor del Arte teilgenommen hatte, dazu. Ich bat sie, meine Frage zu übersetzen: Ob die Sängerin wohl ein Interesse am gemeinsamen Singen hätte? An ihrem strahlenden Gesicht konnte ich sofort ablesen, wie sehr ihr dieser Vorschlag Freude machen würde. Wir vereinbarten daher, dass wir unsere Kontaktdaten austauschen und uns vielleicht zum Singen wiedertreffen könnten. Mal etwas Ukrainisches, mal etwas Deutsches singen. So könnten wir alle voneinander lernen. Schau ma mal….

Sollte diese Idee Wirklichkeit werden, würde ich mich natürlich auch über einheimische Sängerinnen freuen. 😉 Bei Interesse also einfach melden unter: alexandra@comedordelarte.at

So, das war meine Weihnachtsgeschichte 2022.

Dobryy vechir tobi! Ich wünsche dir einen guten Abend!

Alexandra Eichenauer-Knoll

„Pass Egal Wahl“ in Hainfeld

Pass-Egal-Wahl in Hainfeld

Am 29. Jänner 2023 sind die nächsten Landtagswahlen in NÖ. Aus diesem Anlass hatten wir erstmals bei der Aktion „Pass Egal Wahl“ teilgenommen. Am Samstag, den 21. Jänner 2023, stande wir von 9 bis 14 Uhr beim Gemeindezentrum Hainfeld, neben der Apotheke. Es hat sich gelohnt. Franz berichtet genauer darüber – siehe unten!

Die Aktion fand an neun Orten in NÖ statt und wurde u. a. organisiert von:
 #zusammenHalt NÖ, Baden | VöMit – Miteinander in Bad Vöslau! | Ankommen – in Würde! & Karussell, Neulengbach | Verein Herzverstand, Hainfeld | Die Notbremsen – Flüchtlingshilfe Pillichsdorf, Wolkersdorf | Klosterneuburg hilft | Initiative Menschenrechte Scheibbs


Die Initiative  „Pass Egal Wahl“ wurde von SOS Mitmensch bereits 2013 ins Leben gerufen. Mehr Infos dazu und eine gute FAQ-Liste gibt es auf der Website von SOS-Mitmensch.

Wir sind davon überzeugt, dass diese Aktion ein wichtiges Thema in die Öffentlichkeit bringt: Immer mehr Menschen, die in Österreich leben und arbeiten, sind nicht wahlberechtigt. In Österreich dürfen 18% – fast ein Fünftel – der Bevölkerung im wahlberechtigten Alter, nicht an Wahlen teilnehmen. Viele dieser Menschen leben bereits lange hier, doch sie haben keinen österreichischen Pass. Um auf dieses Demokratiedefizit aufmerksam zu machen, findet im Vorfeld der Landtagswahl die Pass Egal Wahl statt.

Abgesehen davon ist es auch eine Schule für Demokratie. Eine Wahl bringt vieles auf den Punkt: sich zuerst einmal informieren, mitmachen, eine Wahlentscheidung treffen, das Wahlgeheimnis respektieren. Die Teilnahme an Wahlen ist ein zentraler Aspekt unserer Demokratie. Denn Demokratie lebt von Beteiligung, nicht von Ausschluss. Politische Teilhabe fördert die Integration und den sozialen Zusammenhalt. Daher ist das Wahlrecht für junge Menschen, die ihr Leben und ihre Zukunft in Österreich mitgestalten sollen, besonders wichtig.

Nicht zuletzt sollen die politischen Repräsentant:innen unseres Staates die gesamte Bevölkerung und deren Interessen vertreten.

Und nun zum Nachbericht von Franz

Pass Egal Wahl am 21.1.2023 in Hainfeld

In der Nacht vor dem 21.1.2012 hatte es stark geschneit und wir hatten winterliche Bedingungen mit -3 Grad Celsius, weshalb weniger Menschen unterwegs waren als sonst an einem Samstagvormittag. Unser Standort im Durchgang zwischen Apotheke und Gemeindezentrum war gut gewählt. Erstens waren wir durch die Überdachung vor dem Schneefall geschützt und zweitens war die Apotheke stark frequentiert und wir konnten die herauskommenden Menschen auf unsere Aktion ansprechen und sie zur Stimmabgabe einladen. Außerdem war im Kultursaal eine Veranstaltung der Kunstakademie Hainfeld, die von Eltern mit Kindern besucht wurde und wir konnten auch aus dieser Gruppe mit einigen ins Gespräch kommen.

Sehr erfreulich war, dass einige MitbürgerInnen extra zur PEW z.B. aus Traisen zu uns gekommen sind. Während wir den Tisch aufbauten, kamen auch zwei PolizistInnen vorbei. Als ich ihnen einen Flyer zur Information geben wollte, meinten sie nur, dass sie bereits informiert seien. Ich hatte die Aktion bei der BH angemeldet und es ist naheliegend, dass sie aus diesem Grund bei uns vorbeischauten.

Wir waren von 9 bis 14 Uhr vor Ort und diese fünf Stunden waren von Anfang bis zum Ende mit Begegnungen und Gesprächen gefüllt. Wir erhielten Zustimmung zu unserer Aktion, es gab lange Gespräche und Diskussionen und vereinzelt wurde auch Ablehnung artikuliert, wie z.B. „Ich will nichts hören von den Ausländern!“ Für mich ist die Pass Egal Wahl eine Aktion unter dem Begriff „Schule der Demokratie“. Es ist die Möglichkeit im öffentlichen Raum zu informieren, zu diskutieren und die Mitmenschen zu mehr demokratischer Teilhabe zu motivieren. Bei einem Gespräch mit einem, offensichtlich von der Politik enttäuschten, Mitbürger konnte ich die Unterhaltung so beenden: „Schau, wir haben sehr unterschiedliche Ansichten, aber wir stehen hier und können unsere Meinungen offen und ohne Angst vor Repressionen aussprechen. Das ist Demokratie und dafür sollten wir uns einsetzen. Denn, Demokratie wird lebendiger, je mehr Menschen sich daran beteiligen.“

In diesem Sinne war es eine sehr gelungene Aktion. Das Thema der demokratischen Mitbeteiligung wurde im Ort (und im Bezirk durch die Medienberichte im Vorfeld) verbreitet und dadurch einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. Und wir persönlich wurden durch diesen Auftritt auch gestärkt. Es ist eine Übung, auch bei gegensätzlichen oder verwirrten Meinungen, ruhig und sachlich zu bleiben, zu argumentieren und trotzdem zu versuchen, mit dem jeweiligen Gegenüber respektvoll zu kommunizieren.

Außerdem sind wir schon ein bisschen stolz auf uns, da wir, obwohl in der letzten Stunde die Kälte in die Füße gewandert ist, bis zum Ende durchgehalten haben. 😉

Alles Liebe, Franz

Presse: NÖN-Bericht

Das Team der Pass-Egal-Wahl in Hainfeld: Franz Witzmann, Alexandra Eichenauer-Knoll, Renate Höfler und Ainullah Islami

Der Wirkungskreis unserer Tätigkeiten

Am 20.11.2022 haben sich Alexandra und Franz wieder einmal zusammengesetzt, um über die Entwicklungen im Comedor del Arte zu plaudern. Denn es macht Sinn, gelegentliche Haltepunkte zu setzen, um zu reflektieren und um Entwicklungen in Worte zu fassen. So wird manches auch klarer.

Alexandra: Wir haben für die nächsten Außenauftritte des Comedor del Arte unseren ersten Folder gestaltet, der unsere Arbeit kurz und verständlich vorstellen soll. Wir haben dafür vor allem Fotos ausgesucht, welche die Arbeit mit den Kindern präsentieren. Die Hausaufgabenbegleitung jeden Nachmittag, von Montag bis Freitag, steht ja in den letzten zwei Jahren im Mittelpunkt deiner Arbeit vor Ort.
Franz: Die Arbeit mit den Kindern ist immer wieder bereichernd, sinnstiftend und ein Spaß. Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis, die Kinder erzählen mir sehr viel. Besonders freue ich mich, wenn Fortschritte sichtbar werden, zB bei einem Erstklassler. Vor einer Woche hat er noch jeden Buchstaben einzeln gelesen und jetzt kann er schon die Buchstaben zusammenlauten. Die Kinder sind an die Struktur im Comedor gewöhnt, sie suchen den Kontakt, auch weil sie erkennen, wie sehr ihnen das hilft.

Medial sehr präsent ist der Ukrainekrieg. Wir werden daher immer wieder gefragt, ob wir Kontakt zu UkrainerInnen haben.
Unlängst erst gab es einen Anruf von einer Caritas-Mitarbeiterin aus Klosterneuburg wegen einem ukrainischen Jugendlichen, der in den Klammgruberhof verlegt worden war. Sie war dann auch im Comedor. Bei Bedarf helfe ich natürlich sehr gerne.
Ich habe auch schon dreimal mit einer Deutschlerngruppe für UkrainerInnen angefangen, aber die Leute waren relativ schnell wieder weg. Entweder weil sie weitergezogen sind oder weil sie Arbeit in der Nähe gefunden haben und keine Zeit mehr finden.

Neben der Lernbegleitung leistet der Comedor del Arte aber noch viel mehr und das könnte man gar nicht alles in einen Folder hineinpacken. Es wäre einfach zu verwirrend, oder?
Ja, neben der Arbeit mit den Kindern vor Ort gibt es noch ganz viele unterschiedliche Tätigkeiten, das stimmt. Und dabei vermischt sich das Private und die Arbeit als Leiter unseres Begegnungshauses. Es ist oft gar nicht mehr voneinander trennbar.
Mit Ainullah, der bei uns privat seit über einem Jahr wohnt, habe ich jetzt gerade die 1.000 km für den Führerschein gemacht und war auch bei der Führerscheinprüfung dabei, die er beim ersten Antritt bestanden hat. Ainullah ist inzwischen ein Familienmitglied für uns, aber begonnen hat diese Beziehung, als er 2019 auf der Klammhöhe untergebracht war und zu uns in den Comedor kam mit dem Wunsch Deutsch zu lernen.
Sehr ans Herz gewachsen ist mir auch Mika mit ihrer Familie, die sich gerade anfangs mit so viel Leidenschaft für das Projekt Comedor del Arte eingesetzt hat. Vor kurzem war ich als Zeuge am BVWG geladen. Sie und ihre Familie haben nun endlich, nach neun Jahren, einen Aufenthaltsstatus bekommen. Wir hatten die ganze Zeit Kontakt und sind gemeinsam durch viele Höhen und vor allem viele Tiefen gegangen.
Wir sind inzwischen eine sehr große Familie, die sehr weit verstreut lebt. Ich bin zB auch in Kontakt mit jemanden, der in den Iran zurückgegangen ist. Gerade jetzt, in diesem Ausnahmezustand, ist unsere Solidarität mit den Menschen dort wichtig. Meine iranischen Freunde schreiben: Bitte vergesst uns nicht! Als politisch interessierter Mensch und auch aus Verbundenheit zu den Menschen gehe ich daher auch zu Gedenkveranstaltungen oder zu Demonstrationen. Natürlich auch für die Hazara als besonders verfolgte Gruppe in Afghanistan. So war ich zB bei einer Veranstaltung am Stephansplatz in Wien, wo den Opfern des Anschlags auf eine Schule gedacht wurde. Ich treffe dort immer auch alte Bekannte und lerne neue Leute kennen. Meine Kamera ist immer mit dabei. Dadurch bin ich auch mit verschiedensten Initiativen in Kontakt gekommen, die sich für meine Fotos interessieren.
Ich habe durch lange Gespräche vieles über diese Länder gelernt, vor allem über Afghanistan und den Iran, welche Volksgruppen, wie viele Sprachen gibt es…? Wenn man stundenlang mit den Menschen zusammensitzt und über die Probleme, aber auch über die Schönheiten des Landes spricht, entsteht eine starke Beziehung. Dann bangt man auch mit, mit denen, die noch dort sind oder mit Freunden, die ihre Familie besuchen. In letzter Zeit waren drei afghanische Freunde im Iran und haben dort ihre Familien besucht, es war genau in der Zeit, als die Proteste losgegangen sind. Ich war sehr froh, nachdem sich alle drei wieder zurückgemeldet hatten.

Am 3.11.2022 findet in St. Pölten ein Treffen von #zusammenHaltNÖ statt. Der Verein Herzverstand ist eine von mehreren Initiativen, die diese Einladung mittragen. Wie kam es dazu?
#zusammenHaltNÖ gibt es schon einige Jahre, diese Initiative ist aus der Flüchtlingsbewegung entstanden. Im vergangen Jahr hat der Prozess gegen Landesrat Waldhäusel begonnen, verschiedene Engagierte haben den ganzen Prozess mitverfolgt und aus diesem Anlass auch Protestaktivitäten organisiert. Daraus entstand das Bedürfnis, ein Treffen zu veranstalten, um sich persönlich auszutauschen, die Initiativen mit ihren Anliegen vorstellen und gemeinsame Ziele zu definieren, die wir an die Politik herantragen können. Es gibt ja im ganzen Land engagierte Menschen, aber mit einer Plattform wird man wirkmächtiger. Unsere Anliegen sollen gehört werden!

Die Zivilgesellschaft will also politischen Einfluss bekommen. Das war nicht immer zwingend so. Es gibt ja noch immer Leute, die helfen, aber sich keinesfalls auf politische Diskussionen einlassen möchten.
#zusammenHaltNÖ ist nicht parteipolitisch und wir wollen uns auch nicht von Parteien vereinnahmen lassen. Zurzeit sind wir zehn Vereine mit den unterschiedlichsten Menschen – vom katholischen Missionar bis zu Menschenrechtsaktivisten, die sich für sichere Häfen einsetzen. Seit ca. 2,5 Jahren versucht die Initiative #zusammenHaltNÖ, einen Gesprächstermin bei der NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu bekommen. Es war bislang nicht möglich. Das ist schon einzigartig in NÖ, denn in anderen Bundesländern gibt es in den Bezirkshauptstädten Sprechstunden. Das Argument ist, dass sie ohnehin im Land unterwegs sei. Ehrenamtliche werden zwar auf Veranstaltungen ­gelobt, das kennt man, aber wir haben ja auch eine Expertise und könnten wertvollen Input liefern. Das wird uns verwehrt. Aufgrund dieser Tatsache, nämlich dass wir kein Gehör finden, ist der Wunsch entstanden, uns breiter in einer Plattform aufzustellen. Wir wollen uns für ein demokratisches und für ein auf den Menschenrechten basierendes Miteinander einsetzen. Wir leben in einer realen Demokratie und können, dürfen und sollen uns artikulieren.

 

Solidaritätsdemo in Wien für die Opfer eines Anschlags auf eine Schule in Kabul, Foto: Witzmann
Solidaritätsdemo in Wien für die iranische Freiheitsbewegung. Foto: Witzmann

 

Audite! Die Comedor del Arte Familie im Netz

Das Haus Comedor del Arte in Hainfeld hat im Laufe der letzten sieben Jahre schon vielen Besuchern und Besucherinnen Platz geboten. Derzeit sind es vor allem Kinder, die regelmäßig nachmittags zur Hausaufgabenbegleitung  eintrudeln. Für all jene, die weitergezogen sind, hat sich hingegen ein neuer Ort etabliert, wo man Informationen austauschen und seine Verbundenheit mitteilen kann: die Facebookseite des Comedor del Arte.

Franz Witzmann klinkt sich fast täglich auf Facebook ein, auf seine eigene wie auch auf die Comedor del Arte Seite, wobei beide Seiten durchaus in Beziehung zueinander stehen. Im Gespräch mit Alexandra Eichenauer-Knoll erzählt er über die Comedor del Arte Familie im Netz und welche Vorteile dieses Medium für die Zusammenarbeit innerhalb der österreichischen Zivilgesellschaft bringt.

Soviel voweg: Die Tatsache, dass Franz auch gerne Fotos macht und teilt, kommt in der Community sehr gut an. Die meisten Herzen bekommen dabei Kinderfotos.

PS: Sollte sich diese Audiodatei noch etwas ruppig im Schnitt anhören, so bitten wir um Nachsicht… Alexandra hat sich erstmals im Schneiden einer Audiodatei versucht.  😉

Werben für die gute Sache!

Wir haben erstmals einen Flyer gemacht, um unsere Arbeit vorzustellen sowie um neue engagierte Personen oder auch neue Mitglieder zu interessieren.

In nächster Zeit gibt es einige Anlässe für neue Begegnungen, u. a.:

Vernetzungstreffen von NÖ-Initiativen und engagierte Einzelpersonen aus den Bereichen Asyl- und Flüchtlingspolitik, Klimaschutz und Sozialpolitik.
Wann: Sa, 3. Dezember 2022 | 10:00 bis 16:00
Wo: St. Pölten | Saal der Begegnung (Gewerkschaftsplatz 2/beim Bahnhof)
Nachfragen, Vorschläge, Ideen: kontakt@zusammenhaltnoe.at, mobile: 0676/7751121

Hainfelder Kreativmarkt: 9. – 11. Dezember 2022 im Kultursaal Hainfeld. Der Comedor del Arte führt das Kaffeeehaus.

 

Zum Download:

A5_Flyer_Herzverstand_online