(Deutsch) Wir haben die Macht zu helfen.

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Franz Witzmann im Gespräch mit Alexandra Eichenauer-Knoll über die aktuellen Aktivitäten im Comedor del Arte.

Alexandra: Lieber Franz, es ist der 10. Mai 2022, wir sitzen jetzt gerade beim Mittagessen zusammen und ich frage dich: Wie geht’s im Comedor del Arte?
Franz: Heute habe ich wieder mit einer neuen Deutschlerngruppe gestartet – mit Alla und Maryna aus der Ukraine. Mohammad und Kadija waren auch dabei. Es waren gute Begegnungen. Die zwei Ukrainerinnen wollen rasch lernen. Wir haben trotzdem erstmal mit dem Alphabet angefangen, damit sie da sicherer werden. Das ukrainische Alphabet ist doch anders. Ich starte erstmal mit Dienstag und Donnerstag, sie würden gerne jeden Tag kommen – schauen wir mal, wie das weitergeht. Ich habe wieder gemerkt, wie großen Spaß es mir macht, Menschen in die Sprache zu führen, überhaupt so eine lernbegeisterte Kleingruppe. In den zwei Stunden haben wir heute wirklich sehr viel weitergebracht. Ich möchte ja alle vier Kompetenzen schulen: schreiben, lesen, sprechen und hören.

Das ist jetzt schon der dritte Start mit einer Deutschlerngruppe für Ukrainer:innen. Die ersten sind relativ rasch in die USA ausgewandert, die zweite Gruppe nach Graz weitergezogen. Du bleibst flexibel.
Ja, und es gibt ja auch sonst viel zu tun. Wir haben jeden Nachmittag Kinder zur Hausaufgabenbegleitung bei uns. Das läuft gut. Gestern kam wieder ein neues Geschwisterpaar, deren Mutter war bereits am Freitag gekommen und hatte angefragt. Die Familie ist schon über zwei Jahre in Hainfeld. Es hat ihnen recht gut gefallen. Ihr letzter Wohnort war Laibach. Im Moment haben wir wieder eine ziemliche Sprachenvielfalt, zu Arabisch und Dari gesellen sich jetzt mehr slawische Sprachen bzw. Worte.
Der Kontakt der ukrainischen Frauen mit der afghanischen Familie heute war auch sehr berührend. Wir haben Wortschatzübungen gemacht, auf Ukrainisch, Deutsch und Dari.

Lernst du dabei auch etwas?
Naja nicht viel, aber Danke kann ich in den meisten Sprachen sagen. Dyakuyu auf Ukrainisch, Spasibo auf Russisch, tašakkor auf Dari.

Viele Kinder kommen derzeit  in den Comedor. Da bietet es sich an, wieder beim Hainfelder Ferienspiel mitzumachen.
Richtig und ich habe auch schon bei Judith Gramm angefragt, die bei uns heuer ein Tanzworkshop angeboten hat, ob sie dazu wieder Lust hätte. Sie macht wahrscheinlich mit. Der letzte Workshop war sehr intensiv. Die Kinderschar ist schon herausfordernd. Es sind ein paar sehr akrobatische Kinder mit auffallend guter Körperbeherrschung dabei.

Der Comedor del Arte entwickelt sich auch immer mehr zu einem Treffpunkt für Kinder und Jugendliche.
Genau, der Comedor ist ja ein offenes Haus. Kinder kommen auch mal kurz vorbei und fragen: Ist der Shahab da, ist der Abdel da? Es ist sehr schön zu erleben, dass eine so große Vertrauensbasis unter den Kindern herrscht. Aber auch uns, den Betreuer:innen, wird viel Vertrauen geschenkt. Die Kinder erzählen uns alles, über ihre Reisen, Verwandtenbesuche oder was sie über die Feiertage gemacht haben. Und natürlich auch über ihren Ärger in der Schule.

Es entwickelt sich immer wieder etwas Neues. Diese Flexibilität zeichnet den Comedor aus.
Es braucht einen fixen Ort, den Comedor, das war der Grundgedanke von Anfang an und der ist noch immer richtig. Das Andere entwickelt sich dann schon. Oft weiß ich gar nicht, woher die Kontakte kommen. Immer mehr Leute verweisen auf uns, eine ukrainische Frau kam z. B. über das AMS. Wir sind also eine Institution, haben auch Kompetenzen, aber keinerlei Macht.

 Aber wir haben die Macht zu helfen.
Ja und auch selbst gute Unterstützung. In den letzten Monaten sind die Nachmittage weniger anstrengend, weil Renate Höfler sehr regelmäßig kommt und auch Veronika Auer ein- bis zweimal die Woche mithilft. Das entlastet mich sehr.

Wenn man die Nachrichten hört, könnte man nur weinen. Aus Afghanistan die neueste Schlagzeile „Taliban beschließen Burka-Pflicht für Frauen“.
Ja, und wie immer bewahrt mich aktives, zielgerichtetes Tun vor dem Wahnsinn. Würde ich nichts tun, mir alle die Nachrichten reinziehen und eine Meinung zu bilden versuchen, wäre ich überfordert. Gegen gewisse Sachen kann ich sowieso nichts tun, ich kann Putin nicht aufhalten oder die Taliban entmachten, aber ich kann hier etwas tun, das anderen hilft und Sinn macht. Die beste Strategie ist also aktives Tun. Und es gibt eh so viel zu tun.

Es gibt Leute, die sagen, ich will mir diese Verantwortung nicht aufbürden lassen, ich will nichts tun. Muss man etwas tun?
Nein, man muss sich nichts aufbürden lassen. Ich will niemandem etwas aufbürden. Ich kann nur sagen, für mich ist es eine Riesenbereicherung, aber manchmal auch sehr herausfordernd. Dann muss ich darauf achten, dass es auch mir selbst gut geht. Wenn sich jemand aber lieber lächelnd dem Müßiggang hingeben will, mag das eine genauso gute Entscheidung sein. Es gibt so viele Lebensentwürfe, ich will darüber nicht urteilen. Für mich ist es jedenfalls heilsam etwas zu tun.