(Deutsch) Renate, die Comedor-Oma

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Renate Höfler ist seit September 2020 gemeinsam mit Franz Witzmann intensiv in der Hausaufgabenbegleitung tätig. Derzeit ist Lockdown, aber es ist anzunehmen, dass danach wieder zahlreiche Kinder in den Comedor del Arte kommen werden. Alexandra Eichenauer-Knoll befragte sie in einem Telefongespräch, wie man sich diese Nachmittage vorstellen kann und wie sie generell zu ihrem Engagement steht.

Liebe Renate, wie war der Herbststart heuer im Comedor del Arte?
Renate Höfler: Als ich das erste Mal nach den Ferien, also am ersten Schultag, hingegangen bin, wollte ich nur mal kurz nachschauen, was los ist. Ich hatte keine besonderen Erwartungen. Und dann sind 15 Kinder dort gewesen! Da war wirklich alles voll, von jetzt auf gleich. Man hat nur gehört: Franz, Franz, ich brauche Hilfe. Ich habe mit so einem Zuspruch nicht gerechnet und habe Franz natürlich gleich unterstützt. Am nächsten Tag waren wieder so viele Kinder da, die Hilfe gebraucht haben. Ich habe Franz dann angeboten, ihm dreimal die Woche zu helfen. Ich war dann Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und manchmal auch Freitag, meistens von 14.00 bis 16.00 Uhr dort. Mehr wie zwei Stunden schaffe ich nicht. Ich arbeite ja von 05.00 Uhr früh bis kurz nach 13.00 Uhr. Dazwischen esse ich schnell zu Hause eine Kleinigkeit, die ich mir schon am Vortag hergerichtet habe. Ich denke mir schon manchmal,  o Gott, ich bin so müde, ich würde mich gerne hinlegen.. Und dann denke ich an Franz, der alleine im Comedor ist und dass ich ihm helfen möchte. Wenn ich dann im Comedor bin, ist es wie eine Energiedusche und ich bin hellwach. Es tut mir so gut, mit den Kindern zu sein.

Energiedusche ist ein schönes Bild.
Ja, irgendwann bin ich eine halbe Stunde später gekommen und sehe den kleinen Mohammad bei der offenen Tür stehen. Ich denke mir, was macht er da? Als er mich sieht, dreht er sich um und schreit in den Comedor hinein: „Sie kommt, sie kommt!“ Und ich höre ein Mädchen rufen: „Ich bin die erste, wenn sie da ist!“ Also das ist wirklich unglaublich, da kommt soviel rüber an Dankbarkeit und Liebe. Wenn ich diese strahlenden Augen sehe, bin ich glücklich. Ich liebe diese Kinder.

Wie geht es dir beim Hausaufgabenbegleiten? Du hast diese Aufgabe ja erst jetzt übernommen?
Ich habe es mir am Anfang gar nicht zugetraut, mit Kindern Aufgaben zu machen. Ich bin da reingerutscht, weil außer Franz sonst niemand da war. Aber jetzt traue ich mir das zu. Ich habe vorher schon sporadisch bei Aufgaben geholfen, aber nicht so intensiv. Es war ja auch vor Coronazeiten bei weitem nicht so eine Andrang wie jetzt.

Wie kannst du dir das erklären?
Ich weiß nicht, etliche sind erst jetzt in die Schule gekommen. Andere waren im Hort oder einfach nicht bei uns. Irgendwie hat sich das verselbstständigt. Franz hat es ja überhaupt nicht beworben. Die Kinder standen am ersten Schultag einfach vor unserer Tür. Wir haben uns im Comdedor del Arte ja immer nach den gerade aktuellen Bedürfnissen gerichtet und nach dem, was gerade gebraucht wird. Momentan brauchen uns die Kinder.

Franz und du, teilt ihr euch die Arbeit auf?
Wir teilen uns die Arbeit nicht bewusst auf, jeder hilft, wo er gerade gebraucht wird. Meistens konzentriere ich mich allerdings auf die Kleineren und Franz, der ja auch als Lehrlingscoach arbeitet, übernimmt die Größeren. Aber ich helfe auch bei Mathematik! Und ich sage ehrlich: ich spüre, wie mich das geistig fit hält! Die Kinder lernen das ja heute ganz anders, als ich oder mein Sohn das gelernt hatten. Am Anfang musste ich bei Franz nachfragen, aber jetzt geht es gut. Und die Kinder schaffen die Tests. Man muss sich ja vorstellen, diese Kinder können nicht zu Hause bei den Eltern Hilfe bekommen. Die Grundrechnungsarten könnten die Eltern vielleicht lösen, aber wenn man die deutsche Sprache nicht beherrscht, scheitert man bei den Textaufgaben. Und letztlich beginnen alle Mathematikaufgaben mit einer Erklärung, die in einen deutschen Satz verpackt ist.

Es wird nicht nur gearbeitet, sondern auch wieder viel gemalt, wie ich gehört habe.
Wenn die Kinder fertig sind, spielen wir oft Spiele, Halma zum Beispiel. Oder die Kinder malen eben. Sie malen vor allem uns, Franz und mich. Wir haben alles vollgehängt mit den Kinderzeichnungen. Ganz entzückend ist auch ein Brief, den mir ein ägyptisches Mädchen, die Aye, vor dem zweiten Lockdown überreicht hat. Sie schreibt darin, wie lieb sie uns hat. Sie ist eines von den “Pizzakindern“. Wir haben kurdisch-syrische und ägyptische Pizzakinder, jeweils von den beiden Hainfelder Innenstadtpizzerias.

Wirst du manchmal gefragt, warum du dir diese Arbeit antust?
Wenn man mich fragt, warum ich mir das antue, erzähle ich gerne, dass ich lange bevor ich den Comedor kennengelernt habe, vom Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner sehr begeistert war. Er wurde einmal in einem Interview gefragt, woher er die vielen Frauen für die Kinderdorffamilien bekommen möchte. Und er sagt darauf sinngemäß: wenn es diese Kinder gibt, so muss es auch Frauen geben, die als Kinderdorfmütter arbeiten möchten. Das ist mir damals so richtig ins Herz gegangen. Ich bin zwar keine Kinderdorfmutter geworden, aber immerhin so etwas wie die Comedor-Oma! Ich habe keine eigenen Enkelkinder und darf so ein wenig in Kinderenergie baden.

Hoffen wir, dass der Corona-Ausnahmezustand irgendwann vorbei ist und du mit den Kindern dann wieder vergnügt auf ein Eis gehen kannst. Du bist berühmt dafür, die Kinder ins Rösthaus auf ein Stanitzel einzuladen.
Ja, es ist wie es ist. Diese Menschen sind da und es muss sich jemand kümmern. Wenn ich in ein fremdes Land ginge und die Sprache nicht könnte, würde ich mir auch wünschen, dass mich jemand an der Hand nimmt und mir ein bisschen hilft. Und mehr kann ich ja auch nicht tun als ein bisschen helfen. Und ein Lächeln in die Gesichter zaubern. Ich wünsche mir, dass ich ein kleines bisschen Freundlichkeit und Liebe in die Herzen pflanzen kann und die Kinder uns in guter Erinnerung behalten.
Unlängst habe ich einen unserer zahlreichen Alis zufälligerweise in Wien getroffen, er lebt jetzt dort, war früher in Hainfeld. Es war so eine Freude sich wiederzusehen, eine ehrliche Freude, das ist schön, gleich, ob es Kinder oder Erwachsene sind. Ich habe soviel Mütterlichkeit in mir, die ich gerne weitergeben möchte. Ich liebe es einfach, andere zu bemuttern!

Renate Höfler, 57, lebt und arbeitet in Hainfeld. Sie ist Mitglied im Vorstand des Vereins Herzverstand, der den Comedor del Arte betreibt. Abgesehen von Hausaufgabenbegleitung hat sie sich in unserem Begegnungshaus schon auf unterschiedlichste Art und Weise engagiert. So spielte sie die Königin im Theaterstück „Alte Helden“ von Mohammad Ahmadi und hat bei Theater- und Bastelworkshops teilgenommen. Als Verkäuferin bei diversen Kreativmärkten war sie ebenfalls eine tatkräftige Unterstützung. Einige Familien besucht Renate Höfler auch unabhängig von Comedor-Aktivitäten. Außerdem hält sie zu Menschen Kontakt, die inzwischen andernorts weitergezogen sind.