(Deutsch) Kochen im Comedor

Sorry, this entry is only available in Deutsch. For the sake of viewer convenience, the content is shown below in the alternative language. You may click the link to switch the active language.

Am 5.Juni 2015 hatte ich im Zuge der Projekteinreichung für das Sozialfestival Tu was, dann tut sich was. folgenden Text verfasst:

Anfang der 1980er Jahre habe ich mit meiner damaligen Familie, Frau und zwei Kleinkindern, zwei mehrmonatige Reisen nach Spanien unternommen.
Diese Reisen haben meine Sichtweise auf die Welt und die Menschen wesentlich verändert
und mein Bewusstsein erweitert. Es waren nicht nur die historischen und kulturellen
Sehenswürdigkeiten, die landschaftlichen Verschiedenheiten, das Essen und die Musik,
welche mein Weltbild veränderten, am meisten beinflussten mich Begegnungen mit
Menschen.
In Granada wurden wir einmal in einen Comedor eingeladen. Comedor kann man mit
Speisesaal, Gaststube oder Mittagstisch übersetzen. Dieser Comedor hatte den Namen Casa Paco und wurde von einem alten Mann betrieben. Es gab ein paar einfache und klare Regeln und es gab kostenloses Essen für alle, die gekommen waren. In vielen spanischen Städten gab es diese Comedore, sogenannte Armenausspeisungen, die meistens von kirchlichen Organisationen betrieben wurden. Paco hatte aber keine Organisation hinter sich, sondern er hatte seine eigene, kleine Wohnung zur Gaststube umfunktioniert und jenen, die hungrig waren, eine warme Mahlzeit und etwas Menschenwürde geschenkt. Auf meine Frage, warum er jeden Tag für ca. 30 Menschen Essen koche, gab er die Antwort: „Weil da draußen so viele hungrig sind. Wenn ich teile, bleibt noch immer genug für mich.“

Paco, der alte Mann, der hingesehen hatte auf jene Menschen, die am Rande oder
außerhalb der Gesellschaft lebten, die ohne Obdach waren und täglich mit so existentiellen Dingen wie, „wo bekomme ich etwas zu essen“ und „wo kann ich schlafen“ konfrontiert waren.
Paco, welcher mit einer Selbstverständlichkeit Geld, Haus und Essen zur Verfügung stellte
und mit Bedürftigen teilte, hatte in meinen Gedanken einen Samen gesät, welcher nach Jahrzehnten inneren Wachstums nun bereit ist, aufzublühen.
Im Comedor del Arte soll es nicht nur freies Essen, sondern auch Nahrung für Geist und
Seele geben.
Glücklich ist jener Mensch, der lieben, teilen und anderen Menschen helfen kann.

Am 10. März 2016 wurde im Comedor del Arte zum ersten Mal gekocht.
Assadullah hat afghanischen Reis und Gemüse gekocht, Mika hatte Blinis (russische Variante von Palatschinken) geschupft und von mir gab es noch ein Apfelkompott.
Die ersten Gäste waren drei MitarbeiterInnen der Diakonie, die auf einen Begrüßungsbesuch vorbeigekommen waren.
Jetzt wird immer Donnerstag und Freitag gemeinsam und in unterschiedlichster Besetzung gekocht und im Schnitt werden zehn bis fünfzehn Portionen ausgegeben.
Das Koch-und Küchenprojekt beinhaltet viele verbindende und integrative Elemente.
Es beginnt mit den Vorbereitungen. Es hat sich eingespielt, dass am Vortag das Küchenteam festgelegt wird. Am Vormittag wird besprochen, wer was kochen oder backen wird, dann wird eine Einkaufsliste geschrieben und ich gehe einkaufen.
Falls bereits Kinder im Comedor sind, werde ich regelmäßig von diesen begleitet und wir erledigen gemeinsam den Einkauf.
Das Küchenteam macht sich an die Arbeit und im anderen Raum wird gespielt, gelernt, finden Begegnungen statt.
Um ca. 13.00 Uhr wird der Tisch für die Anwesenden gedeckt und es wird gemeinsam gegessen.
Der Küchenbetrieb läuft zwei Monate und mittlerweile ist das Gefühl beim Essen als würde man im Kreis einer großen Familie sitzen.

Alles Liebe, Franz Witzmann

Fotos: Franz Witzmann