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Beim Comedor Kulturfest 2018 am 21. August präsentierten wir ein 15 Meter langes Wandbild, das in zwei Workshops unter der Leitung der Kunstpädagogin Marianne Plaimer in Traisen und Hainfeld entstanden war. In diesem Blog erzählt uns Marianne über die Hintergründe der Arbeit. Die Fragen stellte Alexandra Eichenauer-Knoll. Im Anschluss gibt es noch ein paar interessante Informationen über das Projekt Südrand zu lesen, die uns von Barbara Rieder zur Verfügung gestellt worden sind.
In der Fotogalerie gibt es 10 ausgewählte Workshopfotos zu sehen. Mehr Fotos gibt es wie immer auf Facebook.
LIebe Marianne, das Mural ist fertig! Es ist sehr farbenkräftig und ausdrucksstark geworden und hat die beachtliche Länge von 15 Metern erreicht. Von der Definition her ist ein Mural ein Wandbild im öffentlichen Raum. Inwiefern hast du den Begriff abgewandelt?
Marianne Plaimer: Ein Mural ist, wie du ganz richtig gesagt hast, ein Wandbild, das im festen Verband mit z. B. einer Mauer steht. Gegenwärtig wird dieser Begriff oft im Zusammenhang mit Street-Art oder Graffiti verwendet. Dieses Bild ist zwar transportabel, das Erscheinungsbild dieser Malerei aber erinnert sehr stark an Malereien, die im öffentlichen Raum – vor allem in Städten – zu sehen sind. Deshalb auch habe ich diese Arbeit als „Mural“ bezeichnet.
Es ist gut, dass diese Arbeit transportabel ist – wir werden sie ja auch nach Traisen bringen, wo sie im Volksheim ausgestellt wird, und vielleicht findet sich dann auch irgendwo ein Fixplatz dafür.
Du hast viele Personen in diese Arbeit einbezogen, aufgeteilt auf die Orte Traisen und Hainfeld. Wieviele Personen haben mitgemacht? Und erkennst du sie im Wandbild wieder?
Marianne Plaimer: Dieses Bild entstand in Zusammenarbeit mit „Südrand“, das ist die Jugendarbeit in Traisen, und mit dem Begegnungsraum „Comedor del Arte“ hier in Hainfeld. Und ich habe genau Buch geführt: 42 Kinder, Jugendliche und Erwachsene waren am Entstehen dieser Arbeit beteiligt – dazu gerechnet auch meine Schülerinnen und Schüler, die einige Porträtvorlagen für diese Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Ich weiß auch ganz genau, wer was gemacht hat. Den wunderschönen Feuerwehr-Löschwagen ziemlich in der Mitte des Bildes hat der bald 14 Jahre alte Kevin aus Traisen mit soviel Energie und Geduld gemalt! Ein bisschen hab´ ich ihm auch helfen dürfen, weil er alles wirklich perfekt und wirklichkeitsgetreu darstellen wollte. Und sehr berührt hat mich auch die Zeichnung von Mohammed – ganz links außen im Bild. Wir sehen hier einen gescheiterten Fluchtversuch.
Gab es Unterschied zwischen den Workshops bei Südrand und im Comedor del Arte?
Marianne Plaimer: „Südrand“ spricht Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 13 bis 23 Jahren an. Unter Jugendlichen gibt es natürlich eine ganz andere Dynamik, als in Gruppen, in denen Menschen jeden Alters zusammenarbeiten, wie das bei „Comedor del Arte“ der Fall ist. Hier waren am ersten Projekttag Leute im Alter zwischen 3 und 92 Jahren dabei, die 3-jährige Stefanie und Frau Hermine Pacher, der wir die 92 Jahre ohnehin nicht abnehmen. Und diese unterschiedlichen Gruppendynamiken haben sich schon auch auf die künstlerischen Herangehensweisen ausgewirkt: Sehr bedacht gingen die Jugendlichen bei „Südrand“ an die Sache heran. Da wurde genau überlegt, welches Motiv umgesetzt werden soll und es wurden Vorzeichnungen angefertigt, die dann auf die Kartons übertragen wurden. Im „Comedor“ legten wir den Karton auf und die Leute begannen ganz spontan zu zeichnen und zu malen. Und auch diese unterschiedlichen Herangehensweisen haben die Arbeit so spannend gemacht.
Du hast dann zu hause alles zusammengefügt, keine leichte Aufgabe oder?
Marianne Plaimer: Ja, eine Heidenarbeit war das dann noch! Eine große Herausforderung, weil ich wirklich jede noch so kleine Zeichnung ganz behutsam in das Gesamte einbetten wollte.
Was bedeutet Kunst für dich, was interessiert dich am Kunst machen?
Marianne Plaimer: Meine Kunst hat sehr viel mit dem Begriff „Kunst als soziale Intervention“ zu tun. Von Anfang an lege ich meine Projekte so an, dass viele Menschen miteinbezogen werden, auch die, die in ihrem Alltag mit Kunst vielleicht nie in Berührung kommen. So habe ich 2004 zum ersten Mal im öffentlichen Raum gearbeitet – das war eine Zusammenarbeit mit der Firma Neuman in Marktl.
Immer steht der Prozess, das Zusammenwirken, die Interaktion im Vordergrund. Da entsteht eine unbeschreiblich positive und motivierende Arbeitsatmosphäre. Und das Resultat zeigt dann so etwas, wie einen Teil der gesellschaftliche Wirklichkeit, weil sich hier viele Menschen zum Ausdruck bringen.
Du arbeitest sehr viel mit Jugendlichen zusammen. Was können wir deiner Meinung nach als Erwachsene von ihnen lernen?
Marianne Plaimer: Die spontane Freude am Tun, die Begeisterungsfähigkeit und vor allem die Unvoreingenommenheit – die Offenheit gegenüber allem Neuen. Pablo Picasso hat im Alter von 90 Jahren gesagt: „So alt habe ich werden müssen, um wieder so zeichnen zu können, wie Kinder es tun.“
Abschließend, wie geht es dir jetzt?
Marianne Plaimer: Ich bin sehr glücklich über diese Arbeit. Sie trägt den Titel „Work In Progress“ – also „noch laufende“ oder „sich ständig weiterentwickelnde Arbeit“ und diese Malerei zeigt, wie gutes und respektvolles Zusammenleben funktionieren kann und auch in Zukunft funktionieren wird. „Südrand“ und „Comedor del Arte“ leben genau das beispielhaft vor und das bringt die Malerei zum Ausdruck.
Und letztlich zeigt die Arbeit sehr eindringlich, was sich eine Gemeinschaft, in der zu starke soziale Defizite zugelassen werden, vergibt. Leider erleben wir diesen gesellschaftlichen Zustand momentan in einer fast unerträglichen Art und Weise.
Südrand – Mobile Jugendarbeit Traisen
Seit dem Jahr 2004 arbeiten Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen von Südrand erfolgreich mit Jugendlichen zwischen 12 und 23 Jahren in der Marktgemeinde Traisen. Derzeit besteht das Team aus 4 Personen.
Mobile Jugendarbeit baut auf verschiedenen Säulen auf: Streetwork – aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen Raum Traisens; Offener Betrieb – die Anlaufstelle der Mobilen Jugendarbeit ist ein wichtiger Rückzugsraum für Jugendliche, in dem sich verschiedene Kulturen friedlich begegnen; Projekte – Workshops und Aktionen in der Anlaufstelle und im öffentlichen Raum; Beratung/Begleitung – bei jugendrelevanten Themen wie bspw. Sexualität, Rechtliches, Behördengänge, etc. Unsere Arbeit orientiert sich am Qualitätshandbuch für Mobile Jugendarbeit Niederösterreich, in dem Mindeststandards, Arbeitsprinzipien und Methoden festgelegt sind.
Wir sind ein niedrigschwelliges, freiwilliges Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene. Wir halten uns vorwiegend dort auf, wo Jugendliche Zeit bzw. ihre Freizeit verbringen. Wir versuchen in den Begegnungen Vertrauen aufzubauen. Wir sprechen von professioneller „Beziehungsarbeit“. In der Regel sind wir dann für Jugendliche erwachsene Ansprechpersonen bei jeglicher Art von Fragen und Themen. Unsere Anlaufstelle findet sich seit 2011 in der Mariazeller Straße 49 (direkt in den Ortskern).
Warum Kunstprojekte?
In Kunstprojekten können Jugendliche ihre Kreativität entdecken. Warum entdecken? Häufig ist es so – und da sprechen wir von Erfahrung – dass Jugendliche bei den Projekten nur mal vorbeischauen und sich nicht unbedingt sofort trauen mitzumachen. Durch das Zusehen kommen sie dann aber selbst ins Tun. Was dann entsteht, spricht für sich selbst. Wir sind überzeugt, dass in jedem jungen Menschen kreatives Potential steckt. Kunst bzw. Jugendkulturarbeit im Allgemeinen bietet jungen Menschen einen Rahmen, in dem sie ihre Alltags- und Lebenserfahrungen mit künstlerischen Medien (Film, Musik, Tanz, Theater oder bildnerisches Gestalten) ausdrücken und umsetzen können. Sie knüpft an Ressourcen und Fähigkeiten von Jugendlichen an.
Wir haben mit Marianne bereits mehrere Kunstprojekte in Kooperation umgesetzt wie die Jugendraumschaffung 2010, MAKE SOMETH!NG 2011, Traisen4Ever 2013, Avatare aus Abfallkarton 2016 und Graffiti-Kunstwerke auf Kartonflächen. Wir schätzen die Arbeit mit Marianne sehr!
Barbara Rieder/Südrand Traisen