(Deutsch) Lehrer Franz und seine lieben Kinder

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Die Herbstausgabe 2019 der Stadtmarketingzeitung HAINFELDER hat sich diesmal das Thema Bildung vorgenommen. Auch der Comedor del Arte ist eine Bildungseinrichtung in Hainfeld, wo Workshops, Deutschlerngruppen und Hausaufgabenbegleitung angeboten werden. Ein guter Anlass, in diesem Blogbeitrag einmal über das Thema Bildung zu schreiben. Das Gespräch mit Franz Witzmann, der den Comedor und die Lerngruppen leitet, führte Alexandra Eichenauer-Knoll.

Lieber Franz, du hattest als Kind und auch noch als Jugendlicher einen fixen Berufswunsch: Lehrer werden. Nach einigen beruflichen Umwegen wie Polizist, Masseur, Kellner, Theaterproduktionsassistent, Botenfahrer, Lagerangestellter, Redakteur und Buchautor (um nur die wichtigsten Jobs aufzuzählen), bist du nun doch noch im Lehrberuf angekommen. Du begleitest im Auftrag der Volkshilfe Jugendliche als Lehrlingscoach, bist in der Volksschule Hainfeld einmal wöchentlich als Lesepate tätig und betreust im Comedor del Arte Kinder und Erwachsene beim Deutschlernen. Wie fühlt sich das an?
Franz: All diese Tätigkeiten sind herausfordernd, aber auch sehr inspirierend. Herausfordernd, weil man laufend mit neuen Situationen und Menschen konfrontiert ist, inspirierend, weil man von jedem Menschen auch etwas Neues lernen kann. Es ist viel Flexibilität und Spontanität gefragt, damit man auf die einzelnen Menschen mit ihrem ganz speziellen Wissensstand und ihren Bedürfnissen eingehen kann. So betreue ich zurzeit Menschen bei der Alphabetisierung und auf den Levels A1 und A2. Danach kommt aber auch ein angehender Arzt zu mir, der die Nostrifizierung schon abgeschlossen hat, und mit dem ich für die C1 Prüfung lerne. Auch ein aus der Ukraine stammender Verkaufsmitarbeiter, der im Ort beschäftigt ist und sehr gutes Deutsch spricht, kommt wöchentlich zu mir. Mit ihm übe ich Verkaufsgespräche in hiesiger Mundart.

Es gab im Comedor 2018 auch ein Jahr lang das Angebot mit Theaterspielen Deutsch zu lernen. Diese Workshops wurden von der Theaterpädagogin Emina Eppensteiner geleitet. Ein fröhliches Bild hängt zur Erinnerung daran im Comedor über dem Klavier. Was ist davon noch hängengeblieben?
Ganz wesentlich beim Spracherwerb und wichtig für Integration ist die Möglichkeit, sich mit Deutsch Sprechenden austauschen zu können. Lernen passiert ja auch durch oftmaliges Wiederholen. Gewisse Standardkommunikationen in spielerischer Art einzulernen und zu wiederholen fördert auch den Umgang im Alltag. Spielerisches und authentisches Lernen kommen da zusammen.

Jetzt im Sommer sind die Lerngruppen vormittags, Kinder und Erwachsene sind daran beteiligt. Ist da eine andere Stimmung spürbar?
Ja es ist vor allem eine andere Qualität des Lernens. Während ich mit den Erwachsenen Übungen mache, spielen die Kinder meistens im Raum oder vor dem Haus. Es kommt dann immer wieder vor, dass ich Fragestellung an die Erwachsenen richte, ein Kindergartenkind aber als erstes die richtige Antwort gibt. Wie nebenbei. Die Kinder lernen alleine durch Hören und Anwesendsein die Sprache.

Wie ist das mit der Motivation? Geflüchtete Menschen haben in den ersten Monaten oft eine sehr hohe Motivation anzukommen und zu lernen. Je länger das Asylverfahren dauert, desto psychisch belastender wird der Zustand des Wartens und der Ungewissheit. Das wirkt sich auch auf den Lernfortschritt aus. Die Leute klagen über Kopfweh etc. Wie erlebst du das?
Die oftmals überlangen Verfahren sind sehr belastend, das stimmt. Es kommt aber trotzdem auf den einzelnen Menschen an, wie er oder sie damit umgeht. Es ist bei einigen Menschen so deutlich zu sehen, sie wollen hier sein und suchen aktiv eine sinnvolle Beschäftigung, obwohl sie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Hier versuche ich auch anzusetzen. Je mehr Struktur ein Mensch hat und je mehr Aufgaben und Termine er wahrnehmen kann, umso leichter kommt er mit der Situation zurecht. Das Lernen und die regelmäßigen Lerntermine geben ja auch Struktur. Die eifrigste Schülerin derzeit ist eine Mutter von zwei Kindern, die durchaus den ganzen Tag beschäftigt wäre, aber nicht nur in den Kursen, sondern darüber hinaus auch zu Hause lernt. Jemand, der im Gegensatz dazu den ganzen Tag nichts zu tu hat, kommt viel mehr ins Grübeln und Verzweifeltsein.

Wie viele geflüchtete Menschen schätzt du hast du in deinem Leben schon betreut?
Ich habe schon vor 15 Jahren angefangen mit der Betreuunng von zwei tschetschenischen Familien. 2011 habe ich dann Kontakt zu meinem Freund Moh bekommen, der damals am Klammgruberhof einquartiert war und über ihn lernte ich uigurische Frauen in Altenmarkt kennen. Im Sommer 2013 habe ich dann mit Deutschkursen bei mir zu Hause angefangen, im Herbst 2013 begann ich dann für die Diakonie ehrenamtlich Kurse abzuhalten. Die Deutschkurse am Klammgruberhof habe ich bis ins Frühjahr 2017 geführt. Manchmal waren dort bis zu bis zu 30 Personen. 2015/16 war die Pension zeitweise so überfüllt, dass ich den Deutschkurs im Freien abhalten musste. Parallel dazu haben wir 2016 angefangen, auch im Comedor Deutschlerngruppen anzubieten. Egal wo, die Schwierigkeit bestand immer darin, dass nach 2-3 Monaten die Gruppen auseinanderbrachen, weil alte Leute wegkamen und Neue dazu. Die Neuankömmlinge abzuholen, ihnen eine Einstieg zu bieten, das war dann immer die Herausforderung.

Die bist inzwischen zertifizierter Daf/Daz Trainer. Hat sich dein Unterricht nach der Ausbildung 2017 wesentlich geändert?
Ich habe interessante sprachwissenschaftliche Erkennnisse und Methoden kennengelernt, die durchaus in den Unterricht einfließen. Ich habe andersrum aber auch viele eigene Erfahrungen in den Kurs einbringen können.

Was sind so deine augenfälligsten Beobachtungen als Lehrer?
Mir ist über die Zeit aufgefallen, dass immer wieder sehr motivierte und fleißige Schülerinnen und Schüler dabei waren. Bei Frauen oder Mädchen aus Afghanistan, denen Bildung und Schule verwehrt waren, ist aber eine ganz besondere Begeisterung und Freude am Lernen-dürfen zu beobachten. Das sieht man selten.

Noch eine berührende Anekdote zum Abschluss?
Die Zeit, während ich im Klammgruberhof unterrichtet habe, waren Schüler dabei, die noch nie ein Schule besucht haben. Sie haben einfach die Buchstaben abgezeichnet. Wenn sie an der Reihe waren, wurden ihnen die Buchstaben von Kollegen eingesagt. Als einer dieser Schüler nach einenhalb Jahren zum ersten Mal seinen ersten Satz selbstständig lesen konnte, haben alle applaudiert.

 

Danke an unsere Fördergeber,  die Bildung im Comedor del Arte möglich machen: